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10. Juli 2018 © schwaebische Zeitung / Aalener Nachrichten

Neuer Chefarzt in der Aalener Psychosomatik

Der Verwaltungsrat Kliniken Ostalb hat am Dienstag Michael Fritzsch einmütig zum Chefarzt der Psychosomatik und der Psychotherapeutischen Medizin am Ostalb-Klinikum in Aalen berufen. Er tritt sein neues Amt am 1. Januar 2019 an und löst Askan Hendrischke ab, der zum Jahresende in den Ruhestand tritt. Der neue Chefarzt war der „Wunschkandidat“, sagte Landrat Klaus Pavel nach der Wahl.

Fritzsch wurde in der Nähe von Hannover geboren und war nach dem Medizinstudium in Berlin und Freiburg, wo er auch promovierte, Assistenzarzt in der Inneren Medizin an Kliniken in Hattingen bei Bochum, Wuppertal und Königsfeld. Seit 2004 ist er Facharzt für Innere Medizin, seit 2010 Facharzt für Psychosomatische Medizin und Physiotherapie. Der künftige Chefarzt ist seit zehn Jahren an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Fachpsychotherapie am Klinikum Christophsbad in Göppingen. Dort wurde er im Jahr 2014 Leitender Oberarzt.

Seine inhaltlichen Schwerpunkte liegen nach Mitteilung der Kreisverwaltung in den Bereichen von Persönlichkeitsstörungen und Traumafolgeerkrankungen, Krisen- und Kurzzeitpsychotherapie, der Behandlung von Patienten mit Essstörungen, Angst- und Zwangsstörungen, depressiven Syndromen, somatoformen Störungen, chronischen Schmerzsyndromen, somatischen Erkrankungen und psychischen Begleitstörungen.

Der 50-jährige künftige Chefarzt lebt mit seiner Partnerin und den beiden Kindern in Nürtingen, will aber an seine künftige Wirkungsstätte umziehen. Fritzsch sagte, er trete in Aalen in große Fußstapfen und sei sich der Herausforderung seiner neuen Aufgabe angesichts des Zusammenschlusses der drei Kliniken bewusst.

Landrat Pavel erinnerte an die Gründung der Psychosomatischen Klinik im Jahr 2002. Dass sie eine Erfolgsgeschichte geworden sei, sei das Verdienst von Chefarzt Hendrischke und seiner Mitarbeiter. Über seinen Nachfolger sagte Hendrischke, dessen derzeitge Chefin in Göppingen lasse ihn nur sehr ungern ziehen. [mehr]


© GesundheitPlus 04/16

Psychosomatik - Zeit und Raum für sich selbst nehmen

Zeit und Raum für sich selbst nehmen, Artikel ab Seite 4
Von der Depression zur inneren Freiheit, Artikel ab Seite 6
© Schwäbische Post Aalen | 17.10.2016

Ressourcen erkennen und nutzen

Sonntagsvorlesung Dr. Askan Hendrischke spricht bei der Volkshochschule zum Thema „Die Kraft der eigenen Stärke“. Aalen.

Groß war das Interesse am Vortrag von Dr. Askan Hendrischke im Paul-Ulmschneider-Saal. Die Gäste lauschten dem Chefarzt der Psychosomatischen Abteilung im Ostalbklinikums, der über seine Arbeit mit Patienten sprach. Wie es gelingen kann, aus eigenen Ressourcen Kraft zu schöpfen weiter


© Schwäbische Post 30.12.2015 Ulrike Wilpert

Einblick in den Spiegel der Seele

Wunde(r) Mensch: „Dem Geheimnis der Gefühle auf der Spur“ ist der Titel der neuen Vortragsreihe

Die menschliche Gefühlswelt mit all ihren Facetten und Auswirkungen – vor allem auf die eigene Person: Das ist Leitthema der neuen und von der SchwäPo präsentierten Vortragsreihe „Wunde(r) Mensch“. Drei hochkarätige Referenten reflektieren die vielfältigen Arten von Emotionen und ihre Bedeutung im Alltag. [weiter ...]


Schwäbische Post © Schwäbische Post 18.11.2014 Ulrike Wilpert

Neue Therapie für Depressive

Symposium im Landratsamt zeigte neue Moglichkeiten in der Therapie von depressiven Storungen

Es gibt neue Hoffnung fur Menschen, die unter Depressionen leiden. Neue Moglichkeiten in der Therapie von depressiven Storungen zeigte ein von Dr. Askan Hendrischke initiiertes Symposium im Landratsamt auf. Teilgenommen haben rund 100 Arzte und psychologische Psychotherapeuten aus einem Umkreis von rund 80 Kilometern.

Schatzungen zufolge leiden in Deutschland pro Jahr vier bis funf Millioen Menschen an einer depressiven Erkrankung¡§, sagt Dr. Askan Hendrischke. Und ihre Zahl nimmt weiter zu. Wie der Chefarzt der Klinik fur Psychosomatik am Aalener Ostalb-Klinikum erklart, werden Depressionen laut Weltgesundheitsorganisation bis zum Jahr 2020 weltweit die zweithaufigste Volkskrankheit sein.

Immer noch aber seien die Behandlungsergebnisse haufig unbefriedigend trotz vielfaltiger psychotherapeutischer und auch psychopharmakologischer Ansatze. .Selbst nach Ausheilung der ersten depressiven Episode kehrt die Erkrankung bei rund 80 Prozent der Betroffenen wieder zurück, erlautert Monika Enderle, Facharztin fur Psychiatrie und Psychotherapie und Oberarztin fur Trauma und Depressionen in der Aalener Psychosomatik.

Leider, so Hendrischke, haben sich die Hoffnungen auf eine wirkungsvolle individualisierte pharmakologische Therapie bisher nicht erfullt. In der Regel mussen die Patienten mehrere Medikamente ausprobieren, bis der Arzt weis, welche Kombination optimal anschlagt. Und bis endlich eine Wirkung einsetzt, konnen Wochen vergehen, in denen der Patient weiter unter immensem Leidensdruck steht. Umso wichtiger sei es, den Patienten begleitend psychotherapeutisch zu behandeln, bei leichten und mittelschweren Formen der Depression sei dies erwiesenermasen das Mittel der Wahl. Hier machten in letzter Zeit neuere Verfahren von sich reden, die die herkommliche Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologische Therapie gut erganzen.

Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) -zu deutsch Augenbewegungs-Desensibilisierung und Wiederaufarbeitung. Diese Therapie aus der Traumatherapie setzt man nun vermehrt auch zur Behandlung von depressiven Storungen ein. Bislang habe man damit schon sehr gute Ergebnisse bei Angst- und Panikpatienten, in der Trauma- und Schmerztherapie erreicht. Dabei geht es um eine bilaterale Neurostimulation im Gehirn: Der Patient soll an eine besonders belastende Phase seines krankmachenden Erlebnisses denken, wahrend seine Augen gleichzeitig den gezielten schnellen Fingerbewegungen des Therapeuten folgen. Dabei kommt es zu heftigen emotionalen Reaktionen, weil die hinter der Depression steckenden krank machenden Erinnerungen mit all ihren Gefuhlen ans Bewusstsein gefordert werden.Das Uberraschende dabei: Dieser Impuls wirkt im Gehirn ausgleichend. .Die Wirkung ist nachhaltig, es gibt kaum Ruckfalle, sagt Monika Enderle. Viele Betroffene, weis die Psychotherapeutin, werden auf dieses Weise wieder arbeitsfahig.

Schematherapie: Die Therapie wurde ursprunglich fur Personlichkeitsstorungen entwickelt. Ein Schema bedeutet dabei ein Muster, das den Betroffenen immer wieder in denselben Situationen in seiner Handlungsfahigkeit einschrankt. Hendrischke: .Die Therapie hat das Ziel, nicht nur die Depression an sich zu behandeln, sondern die Personlichkeit des Betroffenen weiter zu entwickeln und in gesunder Weise zu stabilisieren.¡§ Erstarrte Denkund Verhaltensmuster des Betroffenen sollen so aufgelockert werden, damit er die Potenziale eines gesunden Erwachsenen ausschopfen kann. Da diese Therapieform stark auf ein verandertes Erleben abziele, werde viel mit Rollenspielen, leeren Stuhlen und szenischer Darstellung gearbeitet. Korpertherapie oder Embodiment: Dabei geht es in erster Linie darum, Korper-Seele-Geist wieder miteinander in Kontakt zu bringen. Hier werde nicht nur uber Veranderungen geredet, sondern korperliches und seelisches Erleben zueinander in Beziehung gebracht, was eine grosere Gefuhlstiefe und -klarung moglich mache. Im Allgemeinen geht es dabei um eine Verbesserung der Wahrnehmung eigener Denk-, Fuhl- und Verhaltensmuster, was bei depressiven Menschen oft erschwert sei.


© Schwäbische Post 03.06.2014 Anke Schwörer-Haag

Schmerz – Telefone ausgelastet

Viele Anrufer nutzten die Aktion zum Welttag des Schmerzes – Netz in der Region wächst

Schon vor 15 Uhr klingelten die Telefone – und das sollte sich während der ganzen Aktion nicht ändern. Pausenlos beantworteten die Experten Leserfragen rund um das Thema Schmerz. Akute Fälle, chronische Verläufe, endlose Pein ohne klinisch eindeutigen Befund – all das kam zur Sprache. Und deutlich wurde: Es gibt ein Netz für Patienten.

Aalen. Er ist der Welttag des Schmerzes, der 3. Juni. Anlass für diese Zeitung, geballtes Fachwissen aus verschiedensten Bereichen zu versammeln. Am Telefon stellten sich den vielen Leserfragen

Privatdozent Dr. Michael Oberst, Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie Aalen;
Dr. Jürgen Langer, Facharzt für Anästhesie, spezielle Schmerztherapie und Palliativmedizin mit einer Praxis für Schmerztherapie in Ellwangen;
Dr. Martin von Wachter, leitender Oberarzt der Klinik für Psychosomatik in Aalen, die auch Psychosomatische Schmerztherapie anbietet;
Edeltraud Kühn, Landessprecherin Fibromyalgie der Rheuma-Liga und Gesprächsgruppenleiterin in Ellwangen.

Die Anliegen der Leser entpuppten sich als bunte Mischung: „Knie, Hüfte, Schulter, Wirbelsäule – es kam alles vor“, zieht etwa Michael Oberst am Ende Bilanz seiner Telefongespräche. Die meisten Anrufer hätten bereits mehrere Therapieansätze hinter sich und müssten leider erleben, dass es Schmerzen gebe, die sich nicht so einfach ausknipsen lassen. In einigen Fällen konnte der Chirurg auf die Hilfsangebote der psychosomatischen Klinik verweisen.

Umgekehrt war dies bei Martin von Wachter: Der Psychosomatiker hat unter den vielen Nachfragern gleich zwei Anrufer, deren Schmerzen aus akuten Unfällen resultieren und kann im Gespräch mit den Ratsuchenden Tipps geben, was noch diagnostisch abgeklärt werden könnte. Er hat aber auch eine Gesprächspartnerin, die er direkt auf die wertvolle Arbeit hinweisen kann, die in Selbsthilfegruppen wie der Rheumaliga geleistet werde. Eine ältere Dame, die über Arthrose klagt und sich außerdem seit dem Tode ihres Mannes einsam fühlt: „Das gemeinsame Funktionstraining, das einerseits Bewegung und andererseits Gesellschaft bietet, ist genau das Richtige“, ist er überzeugt und verweist die Seniorin weiter an Edeltraud Kühne.

Die Rheumaliga-Sprecherin ergänzt als Vertreterin der Selbsthilfegruppen das medizinische Wissen mit praktischer Patientenerfahrung. Sie beschreibt bei der Telefonaktion den Anrufern nicht nur, wie Betroffene sich gegenseitig stärken und aktuelles Wissen austauschen können. Sie weiß auch, wann man sich am besten an den Therapeuten wendet und wie man sich als Patient vorbereiten kann, damit ein Arztgespräch möglichst effektiv wird (Kontakt: t.kuehn@rheuma-liga-bw.de).

Besonders eindringlich haben die Anrufer übrigens nachgefragt, wie lange sie schadlos welche Schmerzmittel einnehmen können, merkt Jürgen Langer noch an. Da sind sich alle Experten einig: „Wirkt das Medikament (noch)“ müsse immer die erste Frage vor der Einnahme sein. Wer über längere Zeit Schmerzmittel nehme, sollte außerdem unbedingt regelmäßig zur Kontrolle zum Haus- oder Facharzt. Überhaupt, betont Jürgen Langer, sei es wichtig, dass die Patienten jedem Arzt lückenlos mitteilten, was sie alles sonst noch einnehmen. Weil es gefährliche Wechselwirkungen geben könne, ließen sich immer mehr Mediziner diese Offenheit mit einer Unterschrift des Patienten zusichern.

Das Résumé der Telefonaktion? „Das war jetzt fast wie eine Schmerzkonferenz“, freuen sich die Experten. Bei diesen, übrigens inzwischen regelmäßigen Treffen in der Region, diskutieren die Mediziner einzelne Fälle aus ihrer jeweiligen Sicht – gewachsen sei daraus ein festes Netz zum Wohle der Patienten.
© Schwäbische Post, 30.04.2014 Tobias Fellner

Selbsthilfegruppen stellen aus

20 Gruppen präsentieren sich in der Plakat-Ausstellung „Innenansichten“ im Ostalbklinikum
Das Röntgenbild eines Schädels mit Hammer im Kopf, Schnapsfläschchen mit Totenkopfzeichen und der Aufschrift „Gift“. Die Motive auf den Plakaten im Foyer des Ostalbklinikums sind erschreckend und anziehend zugleich. Bis Samstag, 10. Mai, präsentieren sich die Selbsthilfegruppen Ostwürttembergs in einer Ausstellung.

Aalen. „Du träumst davon, 100 Jahre zu werden, mit einem Schlag bist du drei“, steht als Überschrift auf dem Plakat der Selbsthilfegruppe Knospe aus Ellwangen. Eine Selbsthilfegruppe von Schlaganfallpatienten für Schlaganfallpatienten, gegründet im Jahr 1993. „Uns hat alle der Schlag getroffen“, heißt es weiter. Ein erschreckend reales Wortspiel. Vielleicht hilft es gerade deshalb dem Betrachter, ins Thema hineinzufinden.

Das Plakat weckt Interesse. Am Krankheitsbild, dem Schlaganfall, aber auch an der Geschichte des Patienten und Interesse an der Arbeit der Selbsthilfegruppe. Was macht eine solche eigentlich? Im Stuhlkreis sitzen und jammern? Selbsthilfegruppen sind die vierte Säule der Gesundheitsversorgung, heißt es in der Infobroschüre der Wanderausstellung „Innenansichten“. Erkrankte erfahren durch die Selbsthilfe, „dass sie nicht alleine sind mit ihren Ängsten und Nöten“. 19 weitere Plakate von insgesamt 20 Selbsthilfegruppen Ostwürttembergs hängen an den Stellwänden. In Zusammenarbeit mit dem Kommunikationsbüro Zahn haben die Gruppenteilnehmer selbst die Plakate gestaltet. „Achterbahn der Gefühle“, „Nach Enttäuschungen wieder aufstehen – sofort“ oder „Wettlauf mit der Zeit“– die Titel fordern zum Nähertreten heraus. Das Ziel der Ausstellung: Die Arbeit der Selbsthilfegruppen in den Fokus der Gesellschaft rücken und Betroffene ansprechen. „Die Selbsthilfegruppe ist eine Gemeinschaft, wir unterhalten uns, wir geben uns gegenseitig Rat, aber wir gehen zum Beispiel auch gemeinsam wandern“, erklärt Edeltraud Kühn von der Rheuma-Liga Ellwangen. Dr. Martin von Wachter vom Ostalbklinikum meint: „Nach dem Diagnose-Schock und der Behandlung folgt meist ein Gefühl der Leere.“ Selbsthilfegruppen seien dann eine hilfreiche Stütze. Michael Svoboda von der AOK Ostwürttemberg lobt die Zusammenarbeit der Gruppen mit den Krankenhäusern: „Die Selbsthilfe bringt sich mit persönlichen Erfahrungen, der so genannten Laienkompetenz, in die Behandlung ein.“ Erkrankte können so über eine Gruppe Therapieformen mitgestalten.


© Schwäbische Post 03.06.2013 Anke Schwörer-Haag

Diagnose-Marathon und Tango

Aktionstag gegen den Schmerz am 4. Juni will informieren und Verständnis wecken

Kaum ist sie wach, ist er wieder da. Tag für Tag – und manchmal, wenn sie nicht schlafen kann, auch in der Nacht. Beate M. kennt jede seiner Nuancen und jede Variante. Seit vielen Jahren ist der Schmerz ihr steter Begleiter. Zuerst im Rücken, wo ein kaputter Wirbel lange nicht als solcher erkannt wurde. Und später überall – im Bauch, in den Beinen. Zum Welttag des Schmerzes am heutigen Dienstag, erzählt die 50-Jährige wie sie aus diesem dumpfen Sumpf zurück fand ins Leben.

Beate M. ist eine lebenslustige, gepflegte Frau. Wenn sie hier im Kreis anderer Schmerzpatientinnen an der Psychosomatischen Klinik des Ost-albklinikums von sich erzählt, sind ihre Beschreibungen voller Humor, ihr Lachen ist ansteckend. Das war nicht immer so. Denn Beate M. kennt ihn nur zu gut, diesen deprimierenden Teufelskreis, in den anhaltende Schmerzen den Patienten besonders dann ziehen, wenn der Arzt keine Ursache findet und das Umfeld dem Leid weder Glauben noch Beachtung schenkt.

Dabei hat Beate M. beides kennengelernt. Sie hat einerseits zuerst auf der Suche nach dem Grund für ihre dramatischen Rückenschmerzen erlebt, dass es doch eine organische Ursache für diese Pein gab – einen „gleitenden Wirbel“, der mehrfach gebrochen war und erfolgreich operiert werden konnte. Und sie hat andererseits dann einige Jahre später erleben müssen, dass Schmerzen auch eine eigene Krankheit sein können. Bis zu dieser Diagnose – „chronisches Schmerzsyndrom“ – hat sie unzählige Untersuchungen und sogar Fehlbehandlungen mitgemacht.

Dass die Therapie jetzt Linderung bringt, baut sie auf. „Ich sage nicht: es geht mir gut. Aber ich kann voller Überzeugung sagen: Es geht mir besser“, sagt sie stolz. Nach der Diagnose „chronisches Schmerzsyndrom“ hat Beate M. nämlich mit einer so genannten multimodalen Schmerztherapie begonnen. Diese setzt sich zusammen aus aktivierender Bewegungstherapie, die den Patienten im medizinisch vertrebaren Maß mobilisiert; aus medikamentöser Schmerztherapie und aus einer Psychotherapie.

„Ganz wichtig ist es, dass dabei alle Ärzte und Therapeuten zusammenarbeiten“, betont Dr. Martin von Wachter, der stellvertretende Leiter der psychosomatischen Klinik. Beate M. hat zum Beispiel ein Schmerztagebuch geführt, um zu entlarven, welche äußeren Einflüsse ihren Zustand negativ beeinflussen. Sie hat besonders die Bewegungsbäder genossen – „das hat mir richtig geholfen“. Und sie hat das Tanzen entdeckt. „Die Bewegung, die Musik, das Drumherum. Das ist etwas, das mich auch an schlechten Tagen aufmuntern kann“, beschreibt sie. Und dass ihr Mann mitmacht beim Tanzkurs, stärkt außerdem die Beziehung. „Tango statt Fango“, kommentiert von Wachter diese Entscheidung zufrieden. Denn auch für Angehörige sei das Zusammenleben mit Schmerzpatienten oft eine Herausforderung. Nicht Betroffene können die häufigen Befindlichkeiten des Patienten nämlich selten nachvollziehen.

Anders ist das im Kreis von Gleichbetroffenen. „Da weiß jeder sofort, wovon man spricht“, versichert Edeltraud Kühn. Auch die 64-Jährige hatte einen Diagnose-Marathon hinter sich, bis am Ende endlich der Grund für ihr „Zahnweh am ganzen Körper“ feststand: Fibromyalgie – nicht entzündliches Rheuma. Mittlerweile habe sie gelernt, damit umzugehen. Sie habe gelernt, nein zu sagen. Und sie habe gelernt, Hilfe einzufordern und anzunehmen. „Seit ich das kann, geht es mir gut. Und wenn es mir gut geht, geht es allen anderen um mich herum auch gut“, versichert sie.

Dieses Wissen und ihre Erfahrung gibt die Ellwangerin in einer Selbsthilfegruppe weiter, die sie mit Unterstützung der AOK im Jahr 2000 ins Leben gerufen hat. Dass dort immer noch alle Gründungsmitglieder dabei sind, sich inzwischen eine zweite, eigenständige Gruppe gebildet hat und eine dritte im Entstehen ist, macht Edeltraud Kühn stolz. „Das zeigt, dass wir kein Kaffeekränzle oder Jammerhaufen sind, sondern Ressourcen aktivierend arbeiten“, findet sie. Entsprechend gibt es ein vielfältiges Programm – von der Waldwanderung bis zum regelmäßigen Stammtisch. Man motiviere sich gegenseitig und empfinde es als positiv, dass, „wenn es um Schmerzen geht, die anderen Betroffenen immer ganz genau wissen, wovon man redet.“ Termine werden individuell abgesprochen. Wegen des „Aktionstags gegen den Schmerz“ hat die Gruppe zum Beispiel kurzerhand den Gesprächskreis verschoben. Man will Flagge zeigen und in Ellwangen die Infoveranstaltung „Chronischer Schmerz“ besuchen.


FOCUS 2012, Aalener Nachrichten 20.12.2012

FOCUS-Magazin zeichnet Chefarzt Dr. Askan Hendrischke als Top-Mediziner aus

Dr. Askan Hendrischke, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik am Aalener Ostalb-Klinikum, wird in der aktuellen Ausgabe des FOCUS-Magazins "Gesundheit" als Top-Mediziner ausgezeichnet. In "Deutschlands größter Ärztebewertung" werden besonders anerkannte Experten sowohl von Patienten als auch von Fachkollegen empfohlen. Dabei schaffte es Dr. Hendrischke, auf der FOCUS-Ärzteliste einen Platz als Top-Mediziner für Essstörungen im Fachgebiet Psychiatrie und Psychosomatik zu erobern.

In dieser exklusiven Liste genannt zu werden ist nicht nur Bestätigung und Auszeichnung für Dr. Hendrischke persönlich, sondern gilt als deutlicher Hinweis, dass am Ostalb-Klinikum Aalen hochqualifizierte Ärzte tätig sind. Dies belegt, so Hendrischke, daß nicht nur in Universitätskliniken und Großstädten Spitzenmedizin angeboten wird, sondern auch kleinere Kliniken in ihrer Qualität und Innovationskraft hervorragend aufgestellt sind.

Dr. Hendrischke sieht sich mit dem Platz auf der FOCUS-Liste in seinem Engagement für die Entwicklung innovativer und patientengerechter Versorgungskonzepte im Bereich der Psychosomatik und Psychotherapie bestätigt. "Mit unserem integrierten Netzwerkprojekt zur ambulant-stationären Behandlung von Essstörungen NEO haben wir mit Unterstützung der AOK Baden Württemberg vor Jahren Neuland betreten, jetzt erhalten wir für dieses Modell Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet!" Dr.Hendrischke ist fest davon überzeugt, daß in der konsequenten Verknüpfung ambulanter und stationärer bzw. tagesklinischer Versorgungsangebote die Zukunft der Psychosomatik und Psychotherapie liegen wird. "Wir haben zwar in Deutschland ein dichtes Netz unterschiedlicher psychotherapeutischer Angebote, um das uns die Welt beneidet, aber vielfach werden Patienten immer noch zu spät und häufig mit ungeeigneten Methoden behandelt. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass einzelne Versorgungsbereiche (ambulante Behandlung, Krankenhaus und/oder Tagesklinik, Rehabilitation) zu oft noch organisatorisch unverbunden sind. Hier sehen wir ein wichtiges Zukunftsfeld, um einer drohenden Chronifizierung von psychischen und psychosomatischen Krankheitsbildern entgegenzuwirken."


© Schwäbische Post 20.03.2012 Ulrike Wilpert

Krebspatienten ganzheitlich umsorgen

Das Ostalb-Klinikum intensiviert sein psychoonkologisches Angebot für Tumorpatientinnen und -patienten. Seit 1. September dieses Jahres übernimmt diese Aufgabe Dr. Eva Scheffold, Fachärztin der Inneren Medizin und der Psychosomatik mit einer 50-Prozent-Stelle.

Aalen. Dr. Eva Scheffold als Fachärztin mit der Zusatzqualifikation Psychoonkologie gewonnen zu haben, bezeichnet Dr. Askan Hendrischke, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutischen Medizin am Ostalb-Klinikum, als einen Glücksfall. Zumal das Ostalb-Klinikum für die psychoonkologische Betreuung der Krebspatienten der beiden zertifizierten Zentren – des Aalener Darmzentrums und des Brustzentrums – erstmals eine eigene Stelle geschaffen habe.

Für Tumorpatientinnen und -patienten des Klinikums bedeutet das: Sie können nun in größerem Umfang als zuvor die psychosomatische und psychotherapeutische Beratung, Unterstützung, Begleitung mit professioneller Hilfe in Anspruch nehmen. Hendrischke betont, dass die Klinik für Psychosomatik wegbereitend war, da hier zuvor schon Diplom-Psychologin Katrin Tatsek und Dr. Veronika Coltoiu Tumorpatienten im Rahmen des psychosomatischen Konsildienstes betreut haben.

Mit diesem nun auf offizielle Beine gestellten Angebot der psychoonkologischen Betreuung erfülle das Ostalb-Klinikum die Vorgaben der Deutschen Krebshilfe für entsprechend zertifizierte Zentren.

Die psychosomatischen Auswirkungen einer Krebserkrankung zu behandeln nennt Dr. Askan Hendrischke ein wichtiges Thema. „Dabei geht es nicht darum, Krebs durch Psychotherapie wegzudenken. Sondern es geht um die Behandlung von Folgeerscheinungen wie Ängste, pessimistische Zukunftserwartung, oder familiäre partnerschaftliche Belastungen.“ Nach Auskunft Hendrischkes wurden im Jahr 2011 allein im Aalener Brustzentrum 163 Krebspatientinnen stationär behandelt – davon haben 125 ein Gespräch mit der Psychosomatik wahrgenommen. „Daneben“, so Hendrischke, haben wir 19 Patienten vom Aalener Darmzentrum gesehen.“

Dr. Eva Scheffold ist 36 Jahre alt, stammt aus Prien am Chiemsee, wo sie auch ihre Facharztausbildungen Innere Medizin und Psychosomatik gemacht hat. Die Zusatzqualifikation Psychoonkologie absolvierte sie am Tumorzentrum in Freiburg.


© Schwäbische Post 15.10.2012

Nichts geht mehr – was fehlt mir?

„Wunde(r) Mensch“ – erste Vortrags- und Filmreihe der Freunde und Förderer der Aalener Psychosomatik

Sie nimmt stetig zu, die Anzahl von Menschen mit seelischen Erkrankungen wie Depressionen, Burn Out, Angststörungen oder anderen psychosomatischen Krankheiten. Die Freunde und Förderer der Aalener Psychosomatik setzen sich für die Entstigmatisierung von Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen ein – jetzt erstmals mit der Vortrags- und Filmreihe „Wunde(r) Mensch – Dem Geheimnis der Gefühle auf der Spur“.

Aalen. Seit zehn Jahren gibt es die Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Ostalb-Klinikum Aalen. Und seit fast fünf Jahren erfahren die Betroffenen zusätzlich Solidarität und Unterstützung durch das Engagement des Vereins Freunde und Förderer der Aalener Psychosomatik.

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Klinik bietet der Verein nun zusammen mit der Schwäbischen Post, der Volkshochschule Aalen und dem Kino am Kocher als Partnern erstmals eine Vortrags- und Filmreihe. „Damit möchten wir auf die Bedeutung lebensgeschichtlicher Zusammenhänge aufmerksam machen sowie auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Balance von Körper und Seele“, erklärt Fördervereinsvorsitzender Paul Sproll. Denn neben der Unterstützung der Patienten und deren Angehörigen sehe der Förderverein Öffentlichkeitsarbeit als eine seiner Hauptaufgaben. „Und dazu gehört unser Bemühen, psychosomatische Erkrankungen aus der Tabuzone zu holen“, meint Sproll.

Mehr und mehr Menschen leiden heute unter körperlichen Beschwerden ohne organischen Befund: Es sind psychosomatische Schmerzpatienten, Menschen mit Angstzuständen bis hin zu Panikattacken, mit Depressionen, Schlafstörungen oder Traumata. Viele dieser Patienten fühlen sich mit ihrer Erkrankung an den Rand der Gesellschaft gedrängt, stigmatisiert. „Denn alle dieser Diagnosen – außer dem Burn-out – sind immer noch Tabu-Themen“, weiß Paul Sproll. Derweil seien diese Patienten Menschen wie Du und ich – „vielleicht nur ein bisschen sensibler, so dass die Balance zwischen Körper und Seele aus dem Lot geraten ist.“

Über die Vielfalt der psychosomatischen Erkrankungen will der Förderverein nun mit der Vortragsreihe „Wunde(r) Mensch“ informieren und ein Stück weit gesellschaftliche Akzeptanz schaffen für diese Formen der Erkrankung. „Gleichzeitig wollen wir Betroffenen Mut machen, die hochprofessionelle Hilfe anzunehmen, die die Klinik für Psychosomatik in Aalen bietet“, betont der Fördervereinsvorsitzende.

Vier Vorträge – vier Filme: Veranstaltungsort für die Vorträge ist jeweils das Gutenberg Kasino der Schwäbischen Post in Aalen. Nach jedem Vortrag besteht die Möglichkeit zur Diskussion – die fachliche Moderation übernimmt Dr. Askan Hendrischke, Chefarzt der Aalener Klinik für Psychosomatik. Bildlich ergänzt wird die Thematik jeweils durch einen passenden Film – ein paar Tage nach dem Vortrag, im Kino am Kocher.

Ein Beispiel: „Das Blaue vom Himmel“ ist einer dieser Filme. Hannelore Elsner spielt die Hauptrolle von Marga, eine verwirrte Mutter, die fast nur noch in der Vergangenheit lebt. Nach und nach folgt Tochter Sofia der Spur ihrer Mutter nach Riga und entdeckt dabei ihre eigene Geschichte.

Über die Spuren von Flucht und Vertreibung und deren Einfluss auf die zweite oder dritte Generation nach dem Krieg spricht wenige Tage zuvor Prof. Dr. Hartmut Radebold im Gutenberg Kasino. „Oft bleibt dies alles jahrzehntelang unausgesprochen, als hätte sich das Leid über die Generationen fortgepflanzt.“

Vorträge und Filme

Start der Vortrags- und Filmreihe ist Donnerstag, 29. März, 19.30 Uhr: Diplom-Psychologin Hanne Seemann, Heidelberg, spricht im Gutenberg Kasino der Schwäpo zum Thema: Wenn der Schmerz zum Feind wird – Frieden mit dem eigenen Körper schließen. Eintritt: 5 Euro. Begleitend dazu zeigt das Kino am Kocher am Mittwoch, 4. April, 20 Uhr, den Film „Wie im Himmel“. Eintritt: 6,50 Euro.

Familie – Nest oder Pest? – Bindung und Trauma der frühen Jahre. Darüber spricht Prof. Dr. Anna Buchheim am Donnerstag, 3. Mai, 19.30 Uhr im Gutenberg Kasino der Schwäpo. Eintritt: 5 Euro. Begleitfilm ist „Das Fest“ am Donnerstag, 10. Mai, 20 Uhr, im Kino am Kocher. Eintritt. 6,50 Euro.

„Empty Nest“: Wenn aus Eltern wieder Paare werden – Chancen und Risiken eines neuen Lebensabschnitts thematisiert Diplom-Psychologin Dr. Carmen Kindl-Beilfuß am Donnerstag, 14. Juni, 19.30 Uhr im Gutenberg Kasino der Schwäpo. Eintritt: 5 Euro. Begleitfilm im Kino am Kocher: „C’est la Vie – So sind wir, so ist das Leben“ am Donnerstag, 21. Juni, 20 Uhr. Eintritt: 6,50 Euro.

Traumata: Die langen Schatten des Krieges – Wie Traumata unserer Eltern unser heutiges Leben prägen. Das ist das Thema von Prof. Dr. Hartmut Radebold am Freitag, 6. Juli, 19.30 Uhr, im Gutenberg Kasino der Schwäpo. Eintritt: 5 Euro. Passend zur Thematik zeigt das Kino am Kocher den Film „Das Blaue vom Himmel“ am Donnerstag, 12. Juli, 20 Uhr. Eintritt: 6,50 Euro.

Kartenreservierungen für die Filme unter Tel. (07361) 9219178.


© Schwäbische Post 20.10.2011 Andrea Kombartzky

Plötzlich geht gar nichts mehr

Immer mehr Arbeitnehmer haben einen Burnout – Ein Unternehmer erzählt von seinem Weg aus der Krise

Was haben Sven Hannawald, Miriam Meckel und Ralf Rangnick gemeinsam? Alle drei mussten wegen völliger Erschöpfung die Notbremse ziehen. Doch nicht nur Promis sind vom Burnout-Syndrom betroffen. Studien der Krankenkassen zeigen, dass die Zahl der Arbeitnehmer mit psychischen Leiden in zehn Jahren um 80 Prozent gestiegen ist. „Der Weg aus dem Burnout ist ein langer und harter Kampf“, weiß auch Unternehmer Holger P. aus Schwäbisch Gmünd. Ein Ringen vor allem mit sich selbst und den eigenen Erwartungen.

Ostalbkreis. „Über mein Arbeitspensum habe ich mir nie Gedanken gemacht“, erzählt Holger P. Der 45-jährige Familienvater stieg bereits in jungen Jahren in das Unternehmen seines Vaters ein und übernahm später die Geschäftsleitung der Firma mit rund 120 Mitarbeitern. Doch war ihm das nicht genug: Er leitete insgesamt fünf Unternehmen und hat sich im Laufe der Jahre zudem drei Vereinsvorsitze aufgeladen.

Für eine Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu sorgen, sei ihm nie wichtig gewesen: „An erster Stelle stand für mich immer die Arbeit.“ Das positive Feedback von Kunden und Geschäftspartnern und die Bewunderung von Freunden und Bekannten haben ihm gutgetan und ihn zu immer höheren Leistungen angespornt.

„Etwa 14 bis 18 Stunden habe ich am Tag gearbeitet und mindestens fünf Mal in der Woche Sport gemacht“, erinnert er sich. Das fast schon zwanghafte, regelmäßige Joggen und die vielen Stunden im Fitnessstudio sind ihm bis heute deutlich anzusehen: Holger P. ist ein großer Mann mit einem mächtigen Kreuz und großen Händen.

Fürs Schlafen blieben ihm etwa vier bis fünf Stunden pro Nacht übrig. Ohnehin habe er nur sehr schwer in den Schlaf gefunden: „Ich konnte nicht abschalten, war ständig wie unter Strom.“ Ganze zehn Jahre lang habe er sich keinen Tag Urlaub gegönnt. Zudem habe er meist zu spät, zu unregelmäßig und oft das Falsche gegessen. Unerbittlich habe er sich jahrelang an die körperlichen Grenzen getrieben. „Zu mir selbst war ich derart hart, wie ich niemals zu einem anderen Menschen gewesen wäre“, weiß er heute. Dass dies irgendwann zum Zusammenbruch führen muss, sei jedem klar gewesen – außer ihm selbst, wie er sagt.

Solch ein überdurchschnittlich hohes Arbeitspensum sei symptomatisch für die Patienten mit dem Burnout-Syndrom, bestätigt Dr. Askan Hendrischke, Psychotherapeut und Chefarzt der Klinik für Psychosomatik im Ostalbklinikum in Aalen. „Meistens gibt es eine auslösende Situation, die zum körperlichen und psychischen Zusammenbruch führt“, beschreibt er.

Bei Holger P. ist an einem Sonntagmorgen einfach der Hals zugeschwollen: „Ich litt unter Atemnot und spürte meinen Blutdruck hochschnellen.“ Bei der Erinnerung verdunkelt sich sein Gesicht und er wendet den Blick ab. Als eine „bisher unbekannte Situation“ beschreibt er seine Panikattacke, die ihn zunächst zum notdiensthabenden Arzt und schließlich mit Verdacht auf einen Herzinfarkt ins Krankenhaus führte.

„Ich wurde komplett durchgecheckt. Es konnten aber keinerlei organische Ursachen festgestellt werden“, sagt er. Mit blutdrucksenkenden Medikamenten entließ man ihn zwei Tage später am Vormittag. „Ich fuhr direkt zur Arbeit“, erinnert er sich und muss selbst über sich lachen.

Zwei Tage lang ging es gut. Dann folgte die nächste Attacke mit den gleichen Symptomen. Und wieder landete er im Krankenhaus, diesmal für eine ganze Woche. Erneut wurde sein Körper ausführlich untersucht, ohne Ergebnis. Dann habe ihn zum ersten Mal eine Psychotherapeutin aufgesucht und ihn gefragt, wie sein Tagesablauf denn so aussehe. „Sie hat nur noch den Kopf geschüttelt“, erinnert er sich. Sie empfahl ihm dringend psychologische Hilfe und gab ihm eine Liste mit Ärzten mit.

„Brauch ich nicht“ sei seine Reaktion gewesen. „Ich mache ein wenig Urlaub und schlafe mal aus“ lautete sein Plan, der allerdings nicht aufging: Die Spirale aus innerer Unruhe, Schlaflosigkeit und völliger, körperlicher Erschöpfung habe ihn immer tiefer nach unten geführt. Ganze drei Wochen lang habe er bereits nicht mehr geschlafen, als er einsehen musste, dass er sich ohne Hilfe nicht mehr befreien wird. „Ich war fertig, völlig am Ende.“

Diesen schleichenden Prozess, der in einem Gefühl des völligen Ausgebranntseins mündet, gepaart mit einer mittelgradigen Depression, kennt die Arbeits- und Organisationspsychologin Margit Nowotny auch aus den Schilderungen ihrer Patienten. „Meistens handelt es sich um sehr zuverlässige, sich verantwortlich fühlende und hochgradig im Job engagierte Menschen“, beschreibt sie. Doch am Ende sei die Energie wie weggeblasen: „Sie haben Probleme aufzustehen und alles, was mit ihrer Arbeit zusammenhängt, erscheint ihnen belastend und angsteinflößend.“

Holger P. bekam von seinem Hausarzt die Empfehlung, sich in eine Klinik für Psychosomatik zu begeben. Innerhalb von vier Wochen habe er einen Platz in Aalen bekommen. „Acht Wochen habe ich dort verbracht, völlig abgeschottet von allen äußeren Einflüssen“, beschreibt er. Kein Handy, keine E-Mails, aber dafür viele Gespräche, Mal- und Musiktherapie und Entspannungsübungen. „Anfangs fiel mir das alles sehr schwer“, beschreibt er. Er, der immer erreichbar war, der Macher, der auch mal spätabends spontan zu Kunden fuhr, musste mit der Stille klar kommen. Und vor allem sich selbst kennen lernen.

Holger P. litt auch in der Klinik zunächst unter Alpträumen, Panikattacken und konnte anfangs nur mithilfe von Schlafmitteln überhaupt zur Ruhe kommen. „Wie ein Tiger im Käfig laufen die meisten Burnout-Patienten in den ersten Tagen durch die Klinik“, sagt Dr. Hendrischke. Insgesamt 40 Patienten finden Platz in der Einrichtung, wobei die Zahl der Burnout-Patienten in den letzten Jahren stetig zugenommen habe. Zehn Wochen dauere im Schnitt die Therapie eines Burnouts. Da sich die Patienten stark über ihre Arbeit und ihre Leistungen definierten, müssten sie in der ersten Phase des stationären Aufenthalts lernen, in sich hinein zu hören.

„Vielen fällt es extrem schwer, die eigenen Bedürfnisse überhaupt zu spüren“, erzählt er. In der zweiten Phase werde versucht, den verlorenen Kontakt zu den eigenen Wünschen wiederherzustellen. „Während der letzten beiden Wochen entwickeln wir gemeinsam mit dem Patienten Perspektiven“, beschreibt Dr. Hendrischke. Hier werden die Patienten meist in die Tagesklinik überführt und planen Schritt für Schritt ihren Wiedereinstieg in ihr Leben und ihren Beruf.

Für den Betroffenen fängt nach der Entlassung der schwierigste Teil der Genesung an: Alles, was man in der Klinik gelernt hat, muss konsequent im Alltag umgesetzt werden. Holger P. hat sein Leben umgekrempelt und seine Haltung grundlegend geändert. Zunächst habe er sich einen Hund zugelegt, der für regelmäßige Auszeiten und entspannte Bewegung an der frischen Luft sorge. Er meditiere täglich und halte einen streng geregelten Tagesablauf ein.

„Ich schlafe mindestens acht Sunden am Tag, schaue kaum fern und bin nur noch zu bestimmten Zeiten erreichbar“, betont er. Viel stärker konzentriere er sich auf die Dinge, die ihm wichtig seien und habe alles überflüssige abgegeben. „Ich habe viele Ämter abgelegt und Arbeit delegiert.“ Heute arbeite er maximal sechs bis acht Stunden, habe aber das Gefühl, dass er viel effektiver sei. Regelmäßig schaffe er sich Freiräume, verreise mit der Familie und halte seinen Tag und seine Ziele in einem Tagebuch fest.

Das „Nein-Sagen“ habe er erst mühsam erlernen müssen. Und die Gelassenheit, auch mal negative Reaktionen aushalten zu können: „Ich kann nicht für alle und alles zuständig sein und muss das Ruder für mein eigenes Leben selbst in der Hand halten“, sagt er immer wieder, es klingt wie ein Mantra.

Auch Margit Nowotny sieht den Aufbau einer zusätzlichen Sphäre zur Arbeit als wichtigsten Baustein der Verhaltenstherapie nach einem Burnout. „Die Betroffenen müssen das Gefühl ablegen, dass sie dem System hilflos gegenüber stehen. Sie können ihr Leben sehr wohl selbst steuern“, betont sie.

In der aktuellen Diskussion vermisst sie die Rolle der Arbeitsbedingungen beim Zusammenbruch der Arbeitnehmer: „Es geht hier um ein strukturelles Problem. Die totale Beschleunigung und Digitalisierung und die Anforderung, überall und jederzeit erreichbar sein zu müssen, sorgen dafür, dass die Balance nicht mehr stimmt“, erklärt sie.

Die Unternehmen müssten erkennen, dass Menschen nicht endlos belastbar seien. Gerade Führungskräfte sollten für dieses Thema stärker sensibilisiert werden, um rechtzeitig bei sich selbst die Notbremse ziehen oder die Zeichen bei Mitarbeitern deuten zu können.

Dr. Hendrischke arbeitet eng mit verschiedenen Betriebsärzten an einem Früherkennungsprogramm und coacht Führungskräfte. „Unternehmen machen sich immer mehr Gedanken über die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz“, lautet sein Eindruck.

Ein unmittelbares Interesse dränge die Firmen gerade zum Gesundheitsschutz: Laut einer Untersuchung der AOK fehlt ein Arbeitnehmer mit einer psychischen Erkrankung im Schnitt 22,6 Arbeitstage. Aufgrund grippaler Infekte gab es im Vergleich nur 6,5 Fehltage. Arbeitsbedingte psychische Leiden – denen auch das Burnout-Syndrom zugeordnet wird – haben seit 1999 um 80 Prozent zugenommen und verursachten im vergangenen Jahr volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 6,3 Milliarden Euro.

Holger P. hat in seinem Unternehmen „das Gesundheitsmanagement intensiviert“, wie er sagt: Am Anfang stand ein offenes Gespräch mit den engsten Mitarbeitern über seine Diagnose, ihre Erwartungen an ihn und an das Unternehmen und die Suche nach gemeinsamen Lösungen. Danach holte er externe Trainer zu den Themen Burnout, Stressbewältigung und Persönlichkeitsentwicklung.

In diesen Kursen sollten die Mitarbeiter und Führungskräfte an ihrer Kommunikation sowie am Umgang miteinander feilen und lernen, mit Kritik besser umzugehen. „Dieses Programm geht kontinuierlich weiter und ist natürlich komplett freiwillig“, beschreibt er. Massagen, Entspannungskurse, Kochkurse, Kurse zur Raucherentwöhnung, Nordic-Walking-Gruppen und die Übernahme der Hälfte der Gebühren für ein Fitnessstudio runden das Gesamtpaket ab.

Zwei Jahre ist sein Burnout her und er fühle sich heute so gut wie noch nie, betont er. Heute sei seine Familie das Wichtigste in seinem Leben, dicht gefolgt von Gelassenheit und Gesundheit, hebt er hervor. Trotzdem brummt das Geschäft und gerade denkt Holger P. über die Gründung einer neuen Firma nach.

Einen Marathon will er noch laufen und ein Buch schreiben. Dass er für die alten Verhaltensmuster immer noch anfällig ist – das hat Holger P. selbst schon erkannt.

Burnout ist kein „kleines Tief“, sondern eine ernst zu nehmende, langwierige Krankheit

Typische Stressquellen sind laut Dr. Askan Hendrischke zum Beispiel äußere Anforderungen, wie Lärm, Zeitdruck, Konflikte und körperliche Belastungen, sowie das eigene übertriebene Leistungsstreben, Ehrgeiz, Konkurrenzdenken und Perfektionismus. Sie führen zu körperlichen Reaktionen wie Erhöhung von Puls und Blutdruck und fördert Daueranspannung und ungesunde Verhaltensweisen, wie Rauchen, Genuss von Alkohol, Beruhigungstabletten, ungesundes Essen und Bewegungsmangel.

Burnout-Syndrom ist kein „kleines Tief“, sondern eine ernst zu nehmende, längerfristige psychische Erkrankung als letzte Stufe einer Kette von erfolglosen Versuchen zur Bewältigung von negativem Stress. Die Betroffenen fühlen sich erschöpft und leer, sehen den Sinn und Nutzen ihrer Arbeit nicht mehr und haben den Glauben an sich selbst verloren. Als besonders fatal stuft er den Verlust der persönlichen Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber ein.

Als Maßnahmen gegen Burnout empfiehlt er, zu lernen „Nein“ zu sagen, ohne Schuldgefühle, Arbeit zu delegieren, nicht alles perfekt machen zu müssen, eigene Gefühle wahrzunehmen, Pausen einzulegen, Urlaub ohne Freizeitstress zu machen, die Anerkennung nicht nur von Außen zu suchen und den Aufbau eines sozialen Netzwerks.

Hilfe bietet auch die Broschüre „Stundenschlaf auf standby“ von Carola Köffler und Rolf Siedler, erhältlich über die Katholische Betriebsseelsorge Ostwürttemberg in Aalen, Telefon (07361) 59020. ako


© Schwäbische Post 31.01.2011 Anke Schwörer-haag

Von den „Stehaufmännchen“ lernen

Krisen und Belastungen erfolgreich meistern: Was Wissenschaftler aus der Resilienzforschung ableiten

„Stehaufmännchen“ nennt der Volksmund es salopp, was Wissenschaftler als „Resilienz“ bewundern. „Wir sind begeistert, dass es immer wieder Menschen gibt, die mit Kraft, Energie und Phantasie ihre Lebenskrisen meistern“, sagt Chefarzt Dr. Askan Hendrischke von der Psychosomatischen Klinik. Und hat deshalb gemeinsam mit der evangelischen Erwachsenenbildung die Professorin Dr. Elisabeth Nicolai eingeladen, die am Freitag Neugierigen und am Samstag Experten erzählt, was solche Stehaufmännchen ausmacht.

Ostalbkreis. Was unterscheidet die einen Menschen, die sich von Schicksalsschlägen, Krisen oder Krankheiten unterkriegen lassen, von den anderen, die zwar kurzfristig auch trauern, frustriert und mutlos sind, sich dann aber relativ schnell wieder bekrabbeln? Wie schaffen es manche Menschen, sich trotz widrigster Startbedingungen ein sozial stabiles Leben aufzubauen und dieses glücklich zu meistern? „Das hat die Entwicklungspsychologin Emmy Werner über einen Zeitraum von 40 Jahren an 700 Kindern untersucht, die 1955 auf der Hawaii-Insel Kauai geboren wurden“, erzählt Nicolai. Die Langzeitstudie belege, dass ein Drittel der Versuchspersonen die dort herrschenden widrigen Lebensumstände gut verkraftet habe. „Die Kinder haben es trotzdem geschafft.“ Diese Ergebnisse dämpften aus wissenschaftlicher Sicht nicht nur die Bedeutung, die der frühkindlichen Prägung beigemessen wurde. Sie belegten auch, „dass es beschützende Faktoren gibt.“

Von dieser Studie wird die Professorin, die an der evangelischen Hochschule in Ludwigsburg lehrt, am Freitag, 4. Februar, ab 19 Uhr im evangelischen Gemeindehaus (Friedhofstraße 5 in Aalen) berichten. Sie wird auch Fallbeispiele vorstellen, die zeigen, dass resiliente Faktoren gefördert werden können. „Selbst Erwachsene können noch lernen, resilienter zu werden“, weiß die Psychologin, die sich seit 2005 intensiv mit dem Thema beschäftigt. Einerseits sei das faszinierend und eine große Chance, findet sie. Deshalb beschäftigten sich auch Personalentwicklung und Coaching intensiv mit den Resilienzkriterien und vermittelten diese in Seminaren.

Andererseits liege in diesem Training auch eine Gefahr: „Wir dürfen nicht so tun, als spielten Krisen keine Rolle mehr.“ Resilienztraining könne nicht unverletzbar machen. So etwas routinemäßig vorbeugend einzusetzen, schüre Erwartungen, die später meist enttäuscht würden. Andererseits könne etwas in Bewegung gebracht werden, wenn Resilienzfaktoren im Menschen erkannt und gefördert würden. Halt geben könne ganz eindeutig auch ein spirituelles Bezugssystem, betont Nicolai. Wer sich in einem Glaubenssystem definiere und damit auch in eine Gruppe einfüge, sei messbar resilienter als andere, weil krisenhaftes Erleben in einen anderen Zusammenhang gestellt werde und damit eher ein Sinn erkennbar sei.

„Bei mir war das ganz eindeutig der Sport. Ein Ziel zu haben, zu planen, wieder auf etwas hinzuarbeiten, das hat mir ganz eindeutig geholfen“, sagt Kerstin Abele, die nach einem Fahrradunfall vor Jahren querschnittgelähmt ist und sich nicht unterkriegen ließ. Mehr noch: Die Aalenerin, die heute in Hüttlingen lebt, war in der letzten Saison Dritte bei den Europameisterschaften der Handbiker und hat sich mit ihrem zweiten Leben voll arrangiert. „Andere finden ihre neuen Ziele in einem Beruf oder malen Bilder. Aber es ist immer ein langer Prozess, bei dem jeder zu kämpfen und zu kauen hat“, weiß sie.

Sieben Resilienz-Faktoren

Optimismus – Eine optimistische Lebenseinstellung gilt als wichtigstes Merkmal der Resilienz. Die Realität wird anerkannt, negative Ereignisse aber als befristete Angelegenheit betrachtet, auf die man Einfluss hat.
Akzeptanz – Die Lage und die damit verbundenen Gefühle werden akzeptiert und als Herausforderung gesehen. Resiliente Menschen planen sogar Wechselfälle des Lebens ein, wissen, dass nicht immer alles glattgehen kann.
Lösungen suchen – zwar ist das Schicksal nicht zu beeinflussen, aber die Konsequenz daraus. Ziele werden formuliert.
Opferrolle verlassen – resiliente Menschen können Opfer sein, bleiben das aber nicht lange, weil es ihnen gelingt, anders über die Situation zu denken.
Verantwortung übernehmen – Den eigenen Anteil an der Krise realistisch einschätzen. Nach Ursachen suchen, nicht nach Schuld.
Netzwerke bilden. Resiliente Menschen versuchen gar nicht erst, Probleme im Alleingang zu lösen. Sie suchen Ansprechpartner und haben beruflich und privat ein Netz an Kontakten, das sie Krisen auffängt.
Zukunftsorientierung – wieder Ziele und Visionen formulieren, das Leben aktiv gestalten.


© Schwäbische Post 23.08.2010 Anke Schwörer-haag

Zwischen Einstein und Napoleon

Was ist normal und wann beginnt die Schlafstörung? Bescheid wissen verhindert den Teufelskreis Was gibt es nicht alles für Tricks: Schäfchen zählen, heiße Milch trinken, besänftigende Musik hören, falls es niemanden gibt, der Schlaflieder vorsingt. Wie häufig kämpfen Menschen verzweifelt darum, dass Morpheus sie sanft wiege in seinen Armen: Schlafstörungen sind ein großes Thema und können nur eingedämmt werden, wenn man Bescheid weiß und sich ab einem bestimmten Punkt helfen lässt.

Ostalbkreis. Der Volksmund ist radikal: Wer nicht schlafen kann, ist nicht müde, heißt eine gängige Diagnose. „Was zwar so nicht stimmt“, widerspricht Dr. Martin von Wachter, Oberarzt der psychosomatischen Klinik in Aalen – aber trotzdem auch einen wahren Kern habe: Wer sich viel bewegt, handwerklich oder körperlich arbeitet, finde in der Regel leichter seinen Schlaf als einer, der in der modernen Gesellschaft sitzend zum Beispiel am Computer anstrengende Aufgaben bewältigen muss. Letzteres laugt nicht selten so aus, dass an nächtliche Ruhe und Entspannung nicht mehr zu denken ist.

Stress und Belastungen sind der Hauptgrund dafür, dass Menschen dann kein Auge zu tun können, wenn sie sich eigentlich gerne ausruhen möchten. Daraus, erklärt von Wachter, entwickle sich dann oft eine psychosozial bedingte Schlafstörung – ein Teufelskreis: Der Betroffene möchte schlafen und ärgert sich, dass er es nicht kann. Dieser Ärger stimuliert den Sympathikus, der Herz und Atmung anheizt. Die Unruhe wird größer – an Schlaf ist dann noch weniger zu denken. Der Betroffene kommt ins Grübeln, wälzt sich von einer Seite auf die andere, fixiert den Wecker und rechnet aus, wie wenig Zeit noch zur Erholung braucht.

„Unbedingt aufstehen“, rät der Psychosomatiker, „diesen Kreislauf unbedingt durchbrechen.“ Herumlaufen. Etwas tun, das vom Schlafproblem ablenkt. „Wer 30 Minuten wach im Bett liegt, kann, wenn er liegen bleibt, auch in der nächsten Stunde nicht einschlafen“, weiß von Wachter. Wenn das Problem mehr als sechs Monate anhält, verbinden viele das Schlafzimmer mit einem negativen Stimulus, nächtigen im Wohnzimmer oder anderswo. Die Schlafstörung verselbständigt sich.

Die Abhilfe ist so individuell wie das Schlafbedürfnis jedes einzelnen Menschen: „Keiner sollte sich einreden, sein Schlafbedürfnis sei nicht normal“, erklärt von Wachter und führt als Beispiel an: „Napoleon kam mit drei bis vier Stunden aus. Einstein schlief zwölf Stunden. Beide waren extrem leistungsfähig.“ Vor diesem Hintergrund könne alles zwischen fünf und neun Stunden Schlaf auf jeden Fall nicht ungesund sein. Entscheidend ist, dass der Mensch sich wohl fühle, denn das Schlafbedürfnis sei genetisch fixiert.

Und verändere sich natürlich im Lauf des Lebens: „Babies schlafen die meiste Zeit. Wer älter als 50 Jahre ist, braucht womöglich nur noch vier Stunden Schlaf und wacht mehrmals in der Nacht auf. Das ist ganz normal“, versichert von Wachter.

Was aber tun, wenn man sich nicht sicher oder überzeugt davon, dass Schlafen ein Problem ist? Als erstes sollte man sich selbst und seine Gewohnheiten unter dem Gesichtspunkt der „Schlafhygiene“ genau beobachten, rät von Wachter: Um quasi bereit zu sein fürs Bett sollten Schreibtischarbeiter abends noch einen Spaziergang machen oder walken gehn. Oder Radfahren. Das habe, wie das Laufen, als Rechts-Links-Bewegung einen beruhigenden Effekt; auch, weil man regelmäßig atmet. Sportliches Joggen – Leistung also, die den Puls hochtreibt – ist dagegen tabu. Ebenso Koffein oder Medikamente oder Rauchen oder Alkohol oder schwere Mahlzeiten.

Auf die Uhr gucken und sich damit unter Druck setzen, geht gar nicht. Lesen im Bett ist erlaubt, wenn es ablenkt und dann müde macht. Der Laptop nicht. Grübeln sollte man erkennen und abstellen. Oder aufstehen, sich eine halbe Stunde Zeit für das Problem nehmen. Notizen machen zu dem, was einen beschäftigt – damit nichts vergessen wird. Den Aufschrieb dann bewusst weglegen.

Selbstmedikation und Medikamente sind mit Vorsicht zu genießen: Das Glas Rotwein am Abend könne hilfreich sein. Generell aber mache Alkohol zwar müde, raubt aber den Tiefschlaf und könne abhängig machen. Diese Gefahr berge auch die Einnahme von Benzodiazepinen (Valium zum Beispiel). „Die helfen zwar und haben kaum Nebenwirkungen“, weiß der Arzt. Wer aber länger als zwei Wochen danach greift, dessen Körper gewöhne sich dran. Z-Medikamente (Zolpiden, Zopikon) ließen da eine etwas längere Frist, Antidepressiva werden zuweilen schlaf-anstoßend eingesetzt.

Doch hauptsächlich müsse die Ursache für die Schlafstörung gefunden und abgestellt, das Problem an der Wurzel gepackt werden. Ist die Psyche betroffen, helfen Entspannungsverfahren (Muskelentspannung nach Jakobsen, Autogenes Training, Yoga, Chi Gong). Psychotherapie könne die Stressbewältigung lehren, ebenso Stimulus-Controlle. Sounder-Sleep-Programme (siehe Kasten) arbeiteten mit gezieltem Schlaftraining.

Bei körperlichen Gründen – Schnarchen zum Beispiel – ist der Besuch beim Hals-Nasen-Ohren- oder Lungenfacharzt oder Internisten dringend empfohlen (siehe unten).


© Schwäbische Post 19.02.2010, Anke Schwörer-Haag

20 kostbare Lebensjahre verschenkt

Ramona Gerbing gründet deutschlandweit Selbsthilfegruppen gegen krankhaftes Übergewicht (Adipositas)

118 Kilo schwer, 1,63 Meter groß. „Mama, in der Schule sagen sie, Du siehst aus wie ein Sumoringer.“ Ob diese Anklage ihres Sohnes den Ausschlag gab, weiß Ramona Gerbing heute nicht mehr so genau. Aber der Satz hat mitbewirkt, dass die 46-Jährige den Kampf gegen ihre Krankheit aufgenommen und gewonnen hat. 63 Kilo bringt die kernige Fränkin heute auf die Waage. Fast ebenso viele Selbsthilfegruppen hat sie mittlerweile in Deutschland gegründet.

Aalen. „20 kostbare Lebensjahre habe ich verschenkt“, blickt Ramona Gerbing bedauernd zurück. Und erzählt von der Kindheit, in der sie zwar viel gegessen, aber auch viel Sport gemacht habe. Mit 16 Jahren begann das Problem: das Essen wurde nicht weniger, wohl aber die Bewegung. Die junge Frau kämpfte mit Diäten und in der Folge zwangsläufig mit dem Jojo-Effekt – sie nahm noch mehr zu.

Nach der Schwangerschaft waren es 33 Kilo mehr Ihre Schwangerschaft setzte allen Bemühungen ein schwergewichtiges Ende: „33 Kilogramm habe ich zugenommen“, erinnert sie. „Mein Body-Mass-Index (BMI = Gewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern) war 44, ein BMI von 20 wäre in diesem Alter normal gewesen. Ramona Gerbing hatte massive gesundheitliche Probleme – „Kurzatmigkeit, Bandscheibenvorfall, Fersensporn“, zählt sie auf. Vorbelastet ist sie obendrein, weil beide Eltern Diabetiker sind. Sie kann mit ihrem sehr aktiven Söhnchen nicht mithalten, traut sich zuhause – in der Nähe von Ansbach – nicht mehr ins Schwimmbad. „Manchmal bin ich nach Stuttgart gefahren. Da hat mich wenigstens niemand gekannt.“ Eine Operation setzt dem Leidensweg schließlich ein Ende. Die Ärzte verkleinern den Magen der damals 37-Jährigen mit einem Band. Hinterher ist sie schon nach wenigen Bissen ( 25 Milliliter) pappsatt. Relativ schnell reduziert sich ihr Gewicht. Relativ schnell erkennt sie aber, dass „die OP allein nicht ausreicht.“ Jeder Betroffene brauche therapeutische Begleitung. Denn der Erfolg ist nur von Dauer, wenn Verhalten geändert und Probleme anders gelöst werden als übers Essen. Ramona Gerbing wird aktiv. Sie eröffnet ein Internetforum und gründet Selbsthilfegruppen. Über 60 sind es inzwischen in Deutschland, die die Fränkin initiiert hat. Immer mit dem Ziel, dass aus den Selbsthilfegruppen später Sportgruppen werden. Warum: „Weil ich das Leid der Betroffenen kenne. Weil es schön ist, deren Veränderung mit zu erleben.“ Ganz besonders aber, weil Adipositas-Patienten auf diese Art der Unterstützung dringend angewiesen seien, selbst aber selten eine Gruppe gründen können. Genau das hat Chefarzt Professor Dr. Marco Siech auch auf der Ostalb erlebt. „Der Wunsch nach einer Selbsthilfegruppe ist groß“, sagt er. Doch die Betroffenen wollen nicht ins Rampenlicht. „Ich bin so dick. Ich will mich nicht in den Vordergrund stellen“, hat er selbst von hoch engagierten Patienten immer wieder zu hören gekriegt. Zu oft haben die Betroffenen Ablehnung erlebt – von ihren Familien, ihren Mitmenschen, im Beruf oder in der Schule. Das demotiviert nachhaltig. Weil Selbsthilfe aber ein zentraler Bestandteil des Genesungserfolges ist, hat Siech nicht aufgegeben und ist irgendwann auf Ramona Gerbing gestoßen. Der Chefarzt der Klinik für Psychosomatik Dr. Askan Hendrischke kam als weiterer Verbündeter dazu – und mit ihm die geballte Kraft des 2003 gegründeten Netzwerkes Essstörungen im Ostalbkreis (NEO). Dieses nimmt nun nicht mehr nur die Magersucht ins Visier, sondern nun verstärkt deren Gegenteil.

Die Operation ist immer nur der letzte Ausweg „Denn die Operation ist immer nur der letzte Ausweg“, betonen alle Akteure – auch wenn der Erfolg schon nach wenigen Monaten deutlich sichtbar und bei 80 Prozent der Operierten die Diabetes zurückgeht. Vorher, begleitend und hinterher stehen Ernährungs-, Verhaltens- und Bewegungstherapie. Zwei bis drei Jahre, meint Hendrischke, benötigten Patient und Therapeut, bis das Essverhalten sich dauerhaft positiv verändert. Denn den Betroffenen wird der genetische Vorteil zur Falle, der dem menschlichen Körper Mechanismen zur Verfügung stellt, auf Mangelsituationen zu reagieren. Sprich: nach einer Diät werden die Speicher noch kräftiger gefüllt für den Fall, dass wieder eine „Hungersnot“ kommt. „Wir sprechen über ein Massenphänomen“, machen die Mediziner deutlich: Mindestens die Hälfte der Menschen ist zu dick. Zehn Prozent sind so dick, dass sie deshalb ernsthaft krank werden. Acht Prozent sind selbstgemachte Diabetiker (Typ2). Tendenz steigend.


© Schwäbische Post 18.02.2010

Sehr stark hungert auch die Seele

Adipositas – krankhaftes Übergewicht. Das hat seine Ursachen meist nicht allein im rein körperlichen Hunger, sehr stark hungert auch die Seele. Chefarzt Dr. Askan Hendrischke weiß aus dem Alltag in der Klinik für Psychosomatik am Ostalbklinikum. Essen und Affekte sind eng miteinander verknüpft, erklärt er – „wir essen, um uns zu freuen, zu belohnen, zu verwöhnen. Wir essen aus Frust und innerer Leere. Wir essen aus Langeweile. Wir bewältigen essend Gefühle wie Stress, Überforderung, Angst, Einsamkeit, Ablehnung.“ Psychosomatische Therapie hilft dem Patienten, diese ungünstigen Verhaltensmuster zu erkennen, sein Essverhalten zu analysieren und in der Folge auch zu kontrollieren. Dabei sei es wichtig, die Ziele realistisch zu stecken und den Patienten nicht nur die Reduzierung des Gewichts vorzugeben. Eingeübt werden unter anderem Verhaltensänderungen beim Einkaufen und beim Kochen. Unterstützt wird die Entwicklung eines positiven Körperbildes und die Akzeptanz des eigenen Körpers. Gefördert werden Fitness und körperliches Wohlbefinden. Den Patienten müsse klar werden, dass Diäten nichts bewirken – im Gegenteil: das krankhafte Übergewicht wird chronisch. Eingeübt werden andere Muster im Umgang mit psychischem Druck oder Stress, alternative Strategien bei Frust oder negativen Gefühlen. Mit therapeutischer Unterstützung könne der Patient sein Umfeld zu umgestalten, dass er die neuen Muster auch beibehalten kann. Gerade in diesem Bereich leisteten Telefonkontakte mit anderen Betroffenen oder eben die Selbsthilfegruppe wertvolle Dienste.


© Gesundheit Plus 1/10, H. Kullmann

Wenn die Seele leidet, schmerzt der Rücken

Oft haben chronische Rückenschmerzen psychosomatische Ursachen

Am Praza do Toural in Santiago de Compostela verrichtet er seine Arbeit, in Portmeirion (Wales) ebenso und wer möchte, kann am Alten Rathaus in Potsdam zu ihm aufblicken. Zu Atlas, jenem Sinnbild ewiger Mühsal, das von jedem bei nicht enden wollender Arbeit so gerne herangezogen wird. Atlas gehörte zu den griechischen Titanen, die wegen ihrer Revolte gegen die Götter den Zorn des Zeus auf sich zogen. Atlas verdammte er deshalb dazu, für alle Zeiten das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern zu tragen. Dass sich unter dieser Last der Rücken krümmt, ist ebenso nahe liegend, wie die Vermutung, dass der Titan der Ewigkeit wegen sicherlich noch heute unter Rückenschmerzen leidet. Damit kommt er den Menschen näher als gedacht, denn für sie ist der Rückenschmerz zur Volkskrankheit geworden. Bei Männern ist er der häufigste, bei Frauen der zweithäufigste Grund für die Arbeitsunfähigkeit, wobei sich die Dramatik, von den volkswirtschaftlichen Kosten einmal abgesehen, in Grenzen hält: Meist haben akute Rückenschmerzen eine gute Prognose, lediglich bei acht bis zehn Prozent der Patienten wird das Leiden chronisch. „Genau hier setzen wir bei unserer Arbeit an“, betont Dr. Martin von Wachter, Oberarzt an der Psychosomatischen Klinik. Insbesondere bei chronischen Rückenschmerzen sieht er psychosomatische Ursachen im Vordergrund. Während herkömmliche Schmerzen für den Körper Stress bedeuten, kann umgekehrt emotionaler Stress bei chronischen Rückenschmerzpatienten das Schmerzempfinden negativ beeinflussen und den Schmerz stärker spürbar machen. Bandscheibenoperationen wären hier fehl am Platze, denn die Ursachen sind eben nicht rein körperlicher Natur. Die Trennung von organischem und psychogenem Schmerz gehört längst der Vergangenheit an, da bei jedem chronischen Schmerzerleben periphere und zentrale, organische und psychosoziale Faktoren mit eine Rolle spielen. Der Begriff psychosomatisch setzt sich aus Psyche (Seele) und Soma (Körper) zusammen. Psychosomatische Erkrankungen sind also Ausdruck seelischer Befindlichkeiten, von Problemen oder Krankheiten, die sich in körperlichen Beschwerden widerspiegeln. Dasselbe gilt selbstverständlich auch umgekehrt: Körperliche Beschwerden können psychische Probleme nach sich ziehen. Gut belegt ist dies bei MS, Rheuma, koronaren Herzerkrankungen und Krebserkrankungen. Es ist auch keineswegs selten, dass Patienten mit chronischen körperlichen Krankheiten auf die damit verbundenen Belastungen mit depressiven Stimmungen, Angst oder mit psychosomatischen Symptomen reagieren. Wenn nicht nur der Rücken schmerzt Dafür, dass die Schmerzen chronisch werden, gibt es allgemeine Risikofaktoren psychosozialer Art. Dazu zählen unter anderem passive Behandlungserwartungen, die Überzeugung, schwer beeinträchtigt zu sein, eine ängstliche (Schmerz-)Vermeidung und eingeschränktes Selbstwerterleben. Chronische Schmerzen werden oft von Nicht-Schmerz-Beschwerden begleitet. Es kommt zu funktionellen Körperbeschwerden (Verdauung, Kreislauf, Schwindel), Erschöpfung, Müdigkeit, Depressivität. Nervosität, Sorgen und Anspannung begünstigen eine stärkere Schmerzempfindung und fördern Angstgefühle. Diese Schmerzen ohne ausreichende organische Erklärung treten häufiger auf als zunächst vermutet. 22 Prozent aller Patienten der Primärversorgung klagen darüber und geben als Schmerzort Rücken, Kopf, Gelenke, Brust, Bauch an.

Doch woher soll man wissen, wann ein akuter, und wann ein chronischer Schmerz vorliegt? Muss jemand in psychosomatische Behandlung, nur weil ihm nach schwerer Arbeit oder einem Tag am Schreibtisch der Rücken wehtut? Wachter gibt Entwarnung. „Selbst wenn der Rückenschmerz über vier Wochen kommt und geht, besteht zunächst kein Grund zur Befürchtung, denn die Ursachen können überaus vielfältig sein. Muskelverspannungen, mangelnde Bewegung, Übergewicht, einseitige Belastung – das alles führt unter Umständen zu unspezifischen Rückenschmerzen, die wieder vergehen. Meist hilft schon Gymnastik und viel ausgleichende Bewegung." Sicher kann auch der Hausarzt hilfreich eingreifen. Er kann über den zu erwartenden gutartigen Verlauf aufklären und so die Angst vor dem Schmerz nehmen. Die Wirbelsäule mit ihren 24 Wirbelknochen und den dazwischen liegenden Bandscheiben drückt neben ihren physiologischen Aufgaben auch die innere Haltung eines Menschen aus. Steht die Psyche unter Stress, verkrampft sich auch die Rückenmuskulatur und es kommt zu einem sogenannten erhöhten Muskeltonus, was im Endeffekt zu einer ständig angespannten Rückenmuskulatur führt, die schnell ermüdet. Nachfolgende Muskelverhärtungen und –verspannungen lösen dann besagten Rückenschmerz aus, dem am erfolgreichsten durch viel Bewegung beizukommen ist. Hilfe in drei Schritten

Für Dr. von Wachter hat dies Priorität, um nicht in einen Angst-Vermeidungs-Schonungs-Mechanismus zu geraten, der den Schmerz unter Umständen noch verstärkt. Verhindern soll dies ein Dreistufenmodell, das zunächst eine Aufklärung durch den Erstbehandler, in der Regel der Hausarzt, vorsieht. Wenn bei dieser Untersuchung keine Warnzeichen beispielsweise für eine Nervenschädigung zu erkennen sind, geht es darum, den Patienten zu motivieren aktiv zu sein, Bettruhe zu meiden, möglichst nicht der Arbeit fernzubleiben und sich zusätzlich zu bewegen. Die zweite Behandlungsstufe nach zirka vier Wochen sieht eine weitere Diagnostik, aktivierende Krankengymnastik und Medikamente vor. Letztere dienen dazu, durch Schmerzreduktion Bewegung zu ermöglichen. Nach zwölf Wochen sollte die Behandlung ausgeweitet werden, da sonst die Gefahr einer Schmerzchronifizierung besteht.

Deshalb ist ab diesem Zeitpunkt eine fachübergreifende, unter Umständen auch stationäre Behandlung angezeigt, um mit sogenannten multimodalen Behandlungsprogrammen gegenzusteuern. Das beinhaltet aktivierende Physio- und Sporttherapie, Verhaltenspsychotherapie, Entspannungstechniken und spezielle Schmerz-Bewältigungsprogramme sowie Medikamente zur Schmerzbeeinflussung. Mit an vorderster Stelle einer stationären psychosomatisch-schmerzmedizinischen Behandlung steht die genaue Ursachenforschung, die nach dem Warum und Woher fragt, und dabei physische, funktionelle und psychische Belastungsfaktoren gleichermaßen einbezieht. Daher beginnt die Behandlung mit einer kombinierten biopsychosozialen Eingangsdiagnostik. Ein Ressourceninterview umreißt die aktuelle Situation und vorhandenen Möglichkeiten des Patienten – Voraussetzung für eine genaue Therapieplanung. Das dann zum Tragen kommende Therapieangebot richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Patienten. So findet sich im angebotenen Therapiepool unter anderem: aktivierende Bewegungstherapie, Körperpsychotherapie mit Kraniosakraltherapie, Qi Gong, Nordic-Walking, schmerzspezifische Psychotherapie, Ergotherapie, Genusstraining, systemische Paar- und Familientherapie, Musik- und Kunstpsychotherapie sowie Psychoedukation. Dazu gehören aber auch medizinische Schmerztherapie durch die Anästhesie und im Einzelfall Beratungen durch Spezialisten aus der Chirurgie, Neurologie oder Neurochirurgie. Den zweiten Behandlungsteil nennt von Wachter „Arbeitsphase“. Hier steht ein multimodales Therapieangebot mit verbalen und nonverbalen Bausteinen im Mittelpunkt. Ziel ist, vorhandene Ressourcen zu aktivieren, Konflikte zu benennen, um über ein verändertes Symptomverständnis neue Bewältigungs- und Lösungsstrategien einzuüben. Einen breiten Raum nimmt die Schmerz- und Stressbewältigung ein. Hilfreich für die genaue Diagnostik sei das Führen eines Schmerztagebuches, so von Wachter. Der Betroffene dokumentiert darin seine Schmerzempfindung im Verlauf des Tages mithilfe einer Skala. „Schmerztagebücher helfen, die Schmerzen zu beurteilen, nötige Therapiemaßnahmen individuell anzupassen und gleichzeitig auf ihre Wirkung zu kontrollieren.“ Die Mediziner wollen bei der Schmerzbewältigung wissen, was tatsächlich den Schmerz lindert, was von ihm ablenkt und welche Folgen er hat. Dementsprechend können Entspannungsmethoden gesteuert und Präventionsstrategien gegen wieder auftretende Rückenschmerzen ergriffen werden. Das geht freilich nicht ohne aktive Mitarbeit der Patienten. Sie müssen letztlich ihr Verhalten in Balance bringen, müssen wissen, was sie angesichts ihrer Erkrankung leisten und erreichen können. Unabdingbar dabei: Es müssen in einem sich wiederholenden Rhythmus vorgegebene Aufgaben bewältigt und zugleich ein regelmäßiger Tagesablauf eingehalten werden. In dieses Pensum an Aktivität und Entspannung gehören bewusster Genuss, aber auch die Kontrahenten Stress und Erholung. Nur so ist es möglich, eigene und erlernte Normen zu reflektieren, um die daraus gewonnenen Schlussfolgerungen in die dritte Phase mit einfließen zu lassen. In dieser Transferphase kehren die Patienten in ihre eigentliche Lebenswirklichkeit zurück. Alle in der Psychosomatik erlernten Erfahrungen müssen nun, unter Einbeziehung der Familie, von Freunden und Arbeitskollegen in den Alltag und das Berufsleben integriert werden. Unterstützend können dabei ambulante Therapeuten mit herangezogen werden. „Wobei das Ziel oft nicht Schmerzfreiheit ist, sondern Reduktion der Schmerzen und Verbesserung der Lebensqualität“, gibt von Wachter zu bedenken. Rückenschmerzen vorbeugen

Mit unterschiedlichen Methoden und Verhaltensweisen lassen sich immer wieder einmal auftretende Rückenschmerzen vormeiden: • Hilfreich ist jede Form von regelmäßiger Bewegung und sportlicher Betätigung: Geeignet sind spazieren gehen, aber auch Sportarten, welche die körperliche Fitness fördern und dabei den Rücken entlasten wie Radfahren, Walking und Schwimmen. • Auch ein ausgeglichenes Miteinander von Bewegung und Entspannung lindert Schmerzen. • Hilfreich haben sich diverse Entspannungsmethoden erwiesen, beispielsweise Meditation, autogenes Training und progressive Muskelentspannung. • Der „gerade“ Rücken ist übrigens out. Mittlerweile weiß man, dass Menschen, die nur auf eine gerade Haltung achten, ihren natürlichen Bewegungsspielraum einschränken und so für Wirbelsäulenbeschwerden anfälliger werden.


© Schwäbische Post 27.08.2009

Die Seele schweigt der Körper spricht

Ostalbkreis. „Die Seele schweigt – der Körper spricht“, heißt eine DVD über psychosomatische Erkrankungen und ihre Behandlung, die bei einer Tagung im Ostalb-Klinikum in Aalen entstand.

In sechs Vorträgen stellen Dr. Askan Hendrischke und Dr. Martin von Wachter typische psychosomatische Krankheitsbilder vor – vom Burn-out-Syndrom bis zu Trauma-Folgestörungen. Die Fachärzte zeigen auf, wie sich Psyche und Körper gegenseitig beeinflussen. Sie berücksichtigen moderne Aspekte der Hirnforschung ebenso wie konkrete Behandlungsmöglichkeiten.

Außerdem geht es um praktische Techniken wie Ressourcenaktivierung, Schmerzbewältigungstraining, Ablenkungsübungen, Gedankenstoppübung sowie Differenzierung zwischen Symptomen und Gefühlen. Die Spieldauer der DVD ist etwas mehr als drei Stunden. Sie ist derzeit in einer Sonderausgabe für 9,95 Euro erhältlich bei www.jokers.de.


Pressemitteilung des Ostalbkreises vom 09.12.2008

Landrat Pavel empfängt Delegation des chinesischen Gesundheitsministeriums

Im Rahmen eines mehrtägigen Deutschlandaufenthalts besuchte eine neunköpfige Delegation des chinesischen Gesundheitsministeriums am vergangenen Samstag auch den Ostalbkreis. Am Vormittag war die Gruppe gemeinsam mit Chefarzt Dr. Askan Hendrischke, Ostalb-Klinikum, und Josef Bühler, AOK Ostwürttemberg, im Aalener Landratsamt zu Gast. Landrat Klaus Pavel begrüßte eine Vielzahl an hochrangigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des chinesischen Gesundheitsministeriums, der Universitäten von Peking und Shanghai sowie der Shanghai Pharmaceutical Co., LTD.

Nachdem die Gäste sich in das Goldene Buch des Kreises eingetragen hatten, präsentierte Pavel den Landkreis und die Kliniklandschaft und erläuterte die laufenden und geplanten Baumaßnahmen an den Krankenhäusern in Aalen, Ellwangen und Schwäbisch Gmünd. Anschließend begab sich die Delegation ans Aalener Ostalb-Klinikum, wo sie von Direktor Axel Janischowski und Ärztlichem Direktor Prof. Dr. Joachim Freihorst begrüßt wurde. Nach einem Vortrag von Dr. Hendrischke schloss sich eine Besichtigung des Ostalb-Klinikums einschließlich der Klinik für Psychosomatik an.


© Gesundheit Plus 4/08, Kullmann

Töne und Klänge beeinflussen das Denken und Fühlen

Musiktherapeutin Hanne Eisenhardt hilft Patienten am Ostalb-Klinikum bei der Bewältigung von Krankheiten

...Musikpsychotherapie hilft bei der Krisenbewältigung. „Musik ist eine starke Kraft. Wir wissen, dass Töne, Geräusche und Klänge unser Denken und Fühlen in jegliche Richtung beeinflussen“, erklärt Hanne Eisenhardt. Die Diplom-Musiktherapeutin (FH) arbeitet in der Psychosomatischen Klinik und weiß um eben diese Kraft für eine therapeutische Intervention bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. „Musik spricht den ganzen Menschen an, wirkt auf Körper, Seele und Geist. Damit können wir insbesondere den jeweils aktuellen Bezug zur Seele, zu den Gefühlen und Bedürfnissen herstellen, um dann in einem zweiten Schritt mögliche Wege beispielsweise aus einer krankheitsbedingten psychischen Isolation zu finden und wir können Empfindungen wieder beleben und heilende Lösungsansätze spielerisch handelnd erproben. Wir nutzen dabei bei jedem Patienten die Wirkung der Musik, um Lebensenergie, Neugierde und das Interesse, am Leben aktiv teilhaben zu können, wieder zu wecken.“ Erstaunlich für viele Patienten ist die Erfahrung, dass musikalische Vorkenntnisse dafür nicht erforderlich sind.

Die Musiktherapie beschäftigt sich in unterschiedlicher Vorgehensweise mit der physischen und psychischen Bewältigung von Erkrankungen. Sie befasst sich beispielsweise mit Schmerzpatienten (Behandlung der psychischen Komponente des Schmerzes), unterstützt bei Ängsten, auch im Verlauf medizinischer Behandlung (beispielsweise bei der Chemotherapie), hilft nach traumatischen Ereignissen, belastende Gedanken und Gefühle abzustreifen, um gleichzeitig Platz zu machen für positive innere Bilder. „Emotionen Raum zu geben, Wut und Ängsten klanglichen Ausdruck zu verleihen, das sind unterstützende Voraussetzungen, damit eigene, oftmals unbewusste Stärken und Fähigkeiten durch spielerisches Handeln neu erfahren werden können“, erklärt Hanne Eisenhardt....

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© Schwäbische Post 23.09.2008, Anke Schwörer-Haag

Den Teufelskreis sprengen

Dr. Martin von Wachter über die Wirkung von körperlicher Erkrankung auf die Seele


Psychosomatik im Dialog hieß die Veranstaltung. Knapp 70 Mediziner und Experten diskutierten am Wochenende mit den Referenten aus Tübingen und Göttingen die seelischen Auswirkungen von Herz- und Darmerkrankungen. Darüber und über die Wirkung einer plötzlichen Erkrankung auf die Psyche des Menschen sprach Anke Schwörer-Haag mit Dr. Martin von Wachter von der Psychosomatischen Klinik am Ostalbklinikum Aalen.


Körperliche Erkrankung und Seele – warum wurde im Symposium der Schwerpunkt auf Herz- und Darmkrankheiten gelegt?
von Wachter: Weil sich an deren Beispiel sehr schön nachweisen lässt, dass es tatsächlich Wechselwirkungen zwischen körperlichen Beschwerden und Psyche gibt. Herz und Darm werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert, einem autonomen System, das bewusst nicht beeinflusst werden kann. Und trotzdem gibt es wechselseitige Reaktionen – was die Tagung ganz klar gezeigt hat.
Nämlich?
Professor Christoph Hermann-Lingen von der Uni Göttingen hat Untersuchungen vorgestellt, die messbar belegen, dass psychosoziale Faktoren mit 32,5 Prozent bereits an dritter Stelle der Auslöser für einen Herzinfarkt liegen. Gefährlicher sind nur noch ein gestörter Fettstoffwechsel (49,2 Prozent) und aktives Rauchen (35,7 Prozent). Weniger gefährlich ist Übergewicht (20 Prozent).
Deutlich kam im Vortrag auch der Zusammenhang heraus zwischen einer Depression, wie sie fast 50 Prozent der Patienten nach einem Infarkt erleben, und der Wirkung dieser psychischen Störung als Risikofaktor für einen erneuten Infarkt: Depressive Menschen rauchen mehr, bewegen sich weniger, ziehen sich sozial zurück. Außerdem verändert die Depression die Blutgerinnung (Blutplättchen verkleben) und bewirkt überzogene Entzündungsreaktionen.
Und bei den Darmerkrankungen?
Die Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper kennt hier auch jeder gesunde Mensch: Wer zum Beispiel Prüfungsstress hat, muss öfter auf die Toilette. Die Reizdarm-Patienten, um die es im Vortrag von Professor Dr. Stephan Zipfel von der Uni Tübingen ging, erleben dieses Phänomen stärker und dauerhaft. Nach den auslösenden Faktoren fahnden die Forscher noch – zurzeit, das wurde beim Symposium deutlich, hat man neben psychischen Faktoren auch allergische Reaktionen in Verdacht sowie die Theorie, dass Bakterienbesiedlung eine Rolle spielen könnte.
Hervorgehoben wurde auch, dass bei der Diagnostik nicht das Ausschlussverfahren angewandt wird (wenn wir nichts anderes finden können, muss es ein Reizdarm sein), sondern „positive“ Symptome für diese Erkrankung gesucht werden. Außerdem gibt es ein Stufenschema für die Behandlung, bei dem die Bereiche körperliche Faktoren, Psyche und soziales Umfeld zusammenwirken.
Gibt es eigentlich Strategien für den Umgang mit Organerkrankungen, die den Patienten oft plötzlich treffen und anders als eine Erkältung nicht mit der Einnahme von Tabletten nach wenigen Tagen auskuriert sind?
Auch dafür ist der Herzinfarkt ein gutes Beispiel: Viele Betroffene waren vorher immer gesund und haben leistungsorientiert gelebt. Statt verängstigt und depressiv reagieren sie kontraphobisch, das heißt, sie tun so, als ob nichts gewesen sei. Das hat, wenn der Patient nicht durchgängig so reagiert, durchaus etwas Gesundes, weil der Betroffene nicht nur an die Krankheit denkt. Wenn die Verdrängung allerdings so konsequent ist, dass sich der Lebensstil nicht ändert, dann wird es gefährlich.
Und was empfehlen Sie – zum Beispiel auch bei einem Bandscheibenvorfall, bei dem heftige Schmerzen die Betroffenen ja auch plötzlich lahmlegen?
Der Patient muss lernen, die Krankheit und die Schmerzen zu akzeptieren. Er muss sich dem stellen, was passiert ist, mit der Bereitschaft, das Beste draus zu machen. Das heißt, sich nicht aus dem Alltag zurückziehen, aber dringende Veränderungen vornehmen. Das Gegenteil wäre es, mit dem Schicksal zu hadern und im Leid zu versinken. Der Betroffene schränkt seine Aktivität immer mehr ein, hat immer weniger Ablenkung und gerät in einen Teufelskreis, weil sich auch die Gedanken nur noch um die Krankheit drehen.
Kann das verhindert werden? Wie sollte ein Arzt in diesem Fall reagieren?
Es hat sich bewährt, wenn der Arzt bei seiner Behandlung sehr lange am Symptom bleibt. Das signalisiert dem Patienten, dass er mit seiner Krankheit ernst genommen wird. Mich beeindruckt zum Beispiel, auf welch gute Ergebnisse die britische Ärztin Else Guthrie bei der Behandlung von Reizdarm kommt. Drei bis vier von sechs Sitzungen (mehr werden im britischen Gesundheitssystem nicht bezahlt) befasst sich die Psychosomatikerin nur mit den Symptomen – und hat zum Beispiel herausgefunden, dass diese auch eine Funktion haben wie zum Beispiel den Wunsch des Betroffenen einmal Pause zu machen.
Kennen Sie das auch an sich selbst, dass man bei körperlichen Beschwerden intensiv in sich hineinhört? Wie gehen Sie damit um?
Natürlich habe ich das auch schon erlebt, dass ich meinen Körper mehr beobachte, wenn ich Schmerzen habe. Um nicht zum Angstpatienten zu werden, sollte man einerseits auf jeden Fall die Ursachen medizinisch abklären lassen. Sich andererseits aber auch ablenken – mit einem Spaziergang um den Häuserblock oder durch den Wald. Oder mit Übungen wie etwa dem Gedankenstopp. Wenn ich merke, dass meine Gedanken sich automatisch immer wieder mit dem Problem beschäftigen, „befehle“ ich mir ganz bewusst ein „Stopp“ und starte einen Gegengedanken. Beschäftige mich zum Beispiel damit, dass der Arzt beim letzten EKG nichts gefunden hat.
Gerade das ist ein Problem, wenn der Arzt keine körperliche Ursache für Schmerzen findet und die Patienten sich sagen müssen: Ich bin doch nicht verrückt.
Dieses Phänomen ist bei uns häufig Thema und wir erklären den Betroffenen, dass Schmerz nicht auf dem Röntgenbild erscheint, sondern das ist, was sie haben. Schmerz wird nicht über einen Rezeptor von einem Muskel übermittelt – Schmerz entsteht im Gehirn. Wenn er länger anhält, wird der Hausarzt den Patienten im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung motivieren, sich psychosomatisch mit behandeln zu lassen.
Wann wird es denn aus Ihrer Sicht Zeit für eine solche „Motivation“?
Unsere Faustregel lautet hier: wenn fünf verschiedene Fachärzte oder größere Untersuchungen keine organischen Ursachen (mehr) für die Schmerzen zutage fördern, sollte man an die Psyche mitdenken.
Und wenn der Patient das von sich weist?
Manchmal ist es so, dass nach einem Gespräch bei uns die Betroffenen sich noch nicht wirklich psychosomatisch behandeln lassen wollen. Nach mehreren weiteren ergebnislosen Arztbesuchen erinnern sie sich aber in der Regel daran, dass sie hier doch normalen Menschen begegnet sind und ein Gespräch vielleicht gar nicht so verkehrt ist.
Was können Angehörige tun?
Für Angehörige ist jede längere Erkrankung eine schwierige Zeit. Wenig hilfreich ist es, wenn sie in eine Schmerzfalle tappen: Klar, dass man anfangs nachfragt, sich kümmert und den Betroffenen tröstet, wenn er Schmerzen hat. Auf Dauer kann das dem Patienten aber die Botschaft vermitteln, wenn ich jammere, bekomme ich Zuwendung. Das wiederum nervt die Angehörigen und sie reduzieren die Zuwendung. Der Patient jammert mehr. Aufhalten lässt sich der negative Kreislauf, wenn die Bewältigung von Schmerzen positive Zuwendung auslöst, wenn man dem Patienten zum Beispiel sagt: Schön, dass Du dabei bist, trotz der Schmerzen. Oder ihn bewundert, dass er trotzdem spazieren gegangen ist.
© Südwestpresse 7. Mai 2008, Magdi Aboul-Kheir
Kunsttherapie

Bilder, die die Seele malt

Wenn sich Patienten und Therapeuten ein Bild machen: Kunsttherapie führt oft an die seelischen Ursachen von Erkrankungen heran. Und sie schafft es, über die Kreativität heilsame Kräfte zu entwickeln.

Mit einem Baum begann es. Irmgard S. (50) hatte einen Apfelbaum gemalt: einen kräftigen Stamm, viel Grün, appetitliche Früchte. „Welches Lebewesen würden Sie gern sein, wenn Sie nochmal auf die Welt kämen?”, hatte Kunsttherapeutin Monika Obert gefragt, als Irmgard S. ins Ostalb-Klinikum Aalen gekommen war.

Von Mitte Februar bis Anfang April war sie dort Patientin der Klinik für Psychosomatik. Nun, im Rückblick, schaut sie zufrieden auf ihr Erstlingswerk: „Äpfel sind etwas Feines. Der Apfelbaum ist etwas Schlichtes, Alltägliches.” Pause. „Aber es ist auch ein Paradiesbaum.” Schon beim Malen des ersten Bildes ließen ihre Beschwerden – rabiate Magenschmerzen – nach.

Ein heller Raum in der vierten Etage. Im Kunsttherapie-Zimmer stehen weder Couch noch Freud-Büste; es warten Werktische und Pinsel auf die Patienten. Dazu eine bunt vollgekleckste Malwand, Stifte, Wasser- und Temperafarben, Öl- und Pastellkreiden. Papier in verschiedenen Formaten bis zur zwei Meter breiten Malrolle. Häufig wird auch mit Tonerde geformt. „Das liegt nahe, es ist sehr körperlich”, sagt Kunsttherapeutin Janna-Alina Bischoff. „Viele greifen erstmal nach dem, was ihnen vertraut ist.”

Die Klinik für Psychosomatik hat eine Station mit 18 Betten und eine Tagesklinik mit weiteren 18 Plätzen. Behandelt werden dort Patienten, die körperliche Beschwerden haben, ohne dass organische Befunde vorliegen. Aber auch chronische Schmerzpatienten, Menschen mit Ess-Störungen, Depressionen oder Panikattacken sind hier an der richtigen Adresse; ebenso Unfallopfer, die unter Ängsten, unter Traumafolgen leiden.

Die meisten Patienten werden von niedergelassenen Ärzten überwiesen, der stationäre Aufenthalt dauert sechs bis acht Wochen. Ein Team von Ärzten, Psychologen, Therapeuten und Pflegekräften kümmert sich um die Patienten, erstellt individuelle Behandlungspläne: klassische medizinische Fürsorge plus Gesprächstherapie plus ergänzende Angebote wie Musik, Kunst- und Bewegungstherapie.

„Viele unserer Patienten haben eine lange Odyssee hinter sich, ehe sie zu uns kommen”, sagt Chefarzt Dr. Askan Hendrischke. So war das auch bei Irmgard S., der 50-jährigen Hausfrau aus Aalen. Mit furchtbaren Magenschmerzen kam sie in die Klinik. „Ich konnte nicht mehr schlafen, war ziemlich angeschlagen. Soziale Kontakte waren nicht mehr möglich.” Los ging es mit den Beschwerden vor 15 Jahren, vor zwei Jahren wurde es richtig schlimm.

Der Hausarzt behandelte sie wegen Geschwüren, Übersäuerung, verschrieb ihr Medikamente. Nichts half. Irmgard S. hatte familiäre und finanzielle Sorgen, „aber ich habe nicht gedacht, dass man von solchen Problemen krank werden kann. Man denkt doch im Kopf, nicht im Magen.” Erst nach qualvoll langer Zeit überwies sie der Hausarzt, „dem fiel sonst nichts mehr ein”, an die Psychosomatik. „In der Klinik ist mir klar geworden, dass belastende Ereignisse eben doch Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit haben.” Eine neue Sichtweise – genau da liegt die Kunsttherapie nahe. Für Irmgard S. war das etwas völlig Neues: „Ich habe mir darunter nichts vorstellen können.”

Den meisten geht das so. Wie Kunsttherapie funktioniert? Die Idee ist einfach: Bildhaftes spielt in unseren Gedanken, Vorstellungen, Empfindungen eine große Rolle, ebenso in Erinnerungen und Träumen. Kunsttherapie verleiht diesen inneren Bildern einen Ausdruck.

Beim Gestalten und im Gespräch wird Wünschen und Sehnsüchten nachgespürt; Sorgen, Beschwerden oder Erfahrungen von Gewalt, Vernachlässigung und Hilflosigkeit werden aufgearbeitet. „Man lernt, die körperliche Krankheit mit Atmosphärischem, mit Stimmungen zu verknüpfen”, sagt Obert. Der bildhafte Ausdruck hilft bei der Bewältigung seelischer Probleme, setzt kreative Kräfte frei. Somit können Druck und Angst gemildert, Lebensfreude gefördert werden: „Manche müssen erst wieder lernen, positive Bilder zu sehen.”

„Jeder kann davon profitieren”, findet Monika Obert, „besonders einfach ist es natürlich für Menschen, die viel Vorstellungskraft besitzen. Es gibt aber auch diejenigen, die sich nicht dafür interessieren, bei denen wir aber den Eindruck haben: In denen schlummert was.”

Es sei schon viel erreicht, wenn Menschen Ängste vor kreativem Schaffen verlieren. „Die Menschen müssen ihren Leistungsanspruch lockern, an sich auch mal spielerische Seiten entdecken.” Es gibt Einzel- und Gruppentherapie, gerade das Zusammengehörigkeitsgefühl hilft vielen weiter. Beim Gestalten von Gemeinschaftsbildern an der Malwand gilt: Es geht um den Prozess, nicht ums Ergebnis. „Es muss überhaupt nicht perfekt sein”, sagt Monika Obert. Und doch stärkt das Gefühl des Erschaffens das Selbstbewusstsein. Oft knüpfen sich aufschlussreiche Gespräche an.

Das gilt auch für eine Gruppe, die gerade über Bilder spricht, die in der Vorwoche entstanden sind. „Hand” lautete das Thema. Entstanden sind eine zart gezeichnete Hand, eine düstere Faust, verwundete Hände, die zur Sonne greifen. Ein Bild, das eine kleine gelbe vor einer großen blauen Hand zeigt, lässt Emotionen hervorbrechen: Ist das nun „schön farbig” oder „bedrohlich”? Offen wird miteinander umgegangen, dennoch achtsam. Es fallen Wörter wie „tapfer”, „vorbildlich”, „aufgefangen werden”.

Anhand der Bilder wird aus Lebensgeschichten erzählt. Von Verletzungen, Zorn, Hoffnungen. „Man kann sich nicht ins Schneckenhaus zurückziehen”, sagt ein Patient. „Es tut gut, wenn andere mit einem fühlen können.” Die Kunsttherapiegruppe – ein Ort zum Weinen und zum Lachen.

Irmgard S. denkt gern an ihre Gruppe zurück. „Mit den Leidensgenossen kann man sich noch besser auf die Situation einlassen.” Sie hat sogar ein Abschiedsgeschenk bekommen: ein violett-blaues Farbfeld, einen Amethysten darstellend, in der Mitte eine grüne Spirale. Auf die deutet Irmgard S.: „Das bin ich.” Es symbolisiere den „inneren sicheren Platz. Wunderschön, dass ich da so drinnenhocke”.

Seit Ende des stationären Aufenthalts habe sie nur noch einmal Schmerzen gehabt. „Mir geht`s recht gut”, sagt sie. „Ich habe verinnerlicht, dass es einen Zusammenhang zwischen Sorgen und Schmerzen gibt. Damit kann ich nach Lösungen suchen, um besser zurechtzukommen.” Ihr Blick fällt auf ihr erstes Bild, den Apfelbaum. Irmgard S. lächelt. „Es ist eben auch der Baum der Erkenntnis.”


© Schwäbische Post 23.04.2008, Ulrike Wilpert

Der Puls rast, sie hechelt sich in Panik

30 bis 40 Prozent aller Patienten in Arztpraxen haben Beschwerden ohne organischen Befund

Es überkommt sie wie aus heiterem Himmel: der stechende Schmerz in der linken Brust. Kalter Schweiß auf der Stirn. Oh Gott, ein Infarkt! Der Puls rast, sie hechelt sich in Panik. Dabei haben die Ärzte ihr EKG längst als „völlig unauffällig“ kommentiert. Lange hat sie ihnen nicht geglaubt. Allmählich ahnt sie: kein erkranktes Organ ist die Ursache, sondern ihre stressbeladene Lebenssituation.

„Somatoforme Störung“ heißt im medizinischen Fachjargon, was ihr in rasch wiederkehrender Regelmäßigkeit das Leben schwer macht. „Über 100 Patienten jährlich sind es, die bei uns aufgrund von körperlichen Beschwerden ohne Organbefund stationär oder tagesklinisch therapiert werden“, sagt Dr. Askan Hendrischke, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Ostalbklinikum. Insgesamt zählt er mehr als 370 Patienten im Jahr, viele mit Angststörungen und/oder Depressionen. „Bei den meisten“, so Hendrischke, „stehen körperliche Beschwerden im Vordergrund“: Magen oder Darm rebellieren, Schwindelgefühle konkurrieren mit Übelkeit, permanente Schmerzen in Kopf oder Rücken verursachen Schlaflosigkeit.

Der Leidensdruck ist groß, wenn der Patient den Schritt in die Psychosomatik wagt, die Einsicht in seine Erkrankung zu diesem Zeitpunkt aber oft noch nicht gegeben. „Die meisten Patienten können sich zwar vorstellen, dass man auf akute Belastungssituationen mit Ängsten und Depressionen reagiert. Dass aber auch körperliche Symptome daran gekoppelt sein können, ist für Viele zunächst unverständlich“, erklärt Oberarzt Dr. Martin von Wachter, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychosomatische Schmerztherapie und Psychotraumatologie.

30 bis 40 Prozent aller Patienten in den Hausarztpraxen kommen aufgrund so genannter funktioneller Störungen, schätzt Hendrischke. Etwa 30 Prozent seien es bei ihm, meint der Aalener Internist und Allgemeinmediziner Dr. Rainer Pfau. Jährlich überweist er 20 bis 30 Patienten in die psychosomatische Klinik. Allerdings könne man ohne organischen Befund nicht gleich von einer psychosomatischen Erkrankung sprechen. „Bei einigen Patienten kann es auch nur eine kurze Episode sein, die sich von selbst wieder gibt.“ Ernst werde es erst, wenn die Beschwerden über einen längeren Zeitraum wiederkehren und womöglich allmählich in eine manifeste Depression übergehen. Viele Patienten flüchten sich zunächst in ein „Ärzte-Hopping“, was die Symptome nach Aussage Hendrischkes noch verstärke.

Immerhin sind viele Aalener Hausärzte wie Rainer Pfau durch die Arbeit der Klinik für Psychosomatik bereits sensibilisiert. „Ich beziehe den psychosomatischen Aspekt schon relativ früh in meine diagnostischen Überlegungen ein“, erläutert Pfau, der sich wie andere Hausärzte bei Dr. Hendrischke in psychosomatischer Grundversorgung fortgebildet hat und mit 10 bis 15 Kollegen an den monatlichen Treffen der Balint-Gruppe teilnimmt: „Hier werden Beziehungen zwischen Patient und Arzt aufgearbeitet und aktuelle Fälle besprochen.“ Hier lernen die Ärzte, dass die Patienten-Beschwerden ohne organischen Befund Ausdrucksphänomene sind, die „wie Bojen auf dem Meer schwimmen und auf das hinweisen, was sich in der Lebensgeschichte des Menschen abspielt“ (Hendrischke).

Und im Laufe der Psychotherapie lernen die Patienten, nach Ursachen zu fragen und Zusammenhänge zu erkennen. Sie beginnen zu verstehen, lernen gleichzeitig, ein Stück gelassener mit den Symptomen umzugehen. „Der Patient selbst ist gefordert“, so Hendrischke. „Aber niemand verändert sich auf Knopfdruck. Dazu braucht es Zeit, Geduld, Mut, Zuspruch von innen und außen – und viele Anläufe.“

Ihr Puls rast immer noch. Bisweilen. Aber seit sie weiß, was er ihr sagen will, verfällt sie in eine Art Zwiesprache mit ihm, lässt sich nicht mehr so schnell in Panik treiben. Sie ist dabei, einige Lebensgewohnheiten zum Positiven umzustellen. Und irgendwann, ahnt sie, wird sich das Herzrasen nicht mehr melden. Weil sie es dann nicht mehr braucht. Das Warnsignal.


© Schwäbische Post 29.09.2007 von anke Schwörer-haag

Symposium „Medizin mit Leib und Seele“ heißt das Motto heute im Bildungszentrum des Klinikums

„Psychosomatik ist angekommen“

„Das Modell müssen Sie unbedingt bei uns in Stuttgart vorstellen“, zitiert Chefarzt Dr. Askan Hendrischke zum Beispiel eine Kollegin vom Bürgerhospital in der Landeshauptstadt, die begeistert ist vom Netzwerk „Ess-Störungen“. Angestoßen hat das Modell die Klinik für Psychsomatik am Ostalbklinikum, die heute mit einem Symposium ihr fünfjähriges Bestehen thematisiert.

„Die Psychosomatik ist auf der Ostalb angekommen, sie hat ihren Exotenstatus verloren“, will der Chefarzt mit diesem Beispiel zeigen. Beim Netzwerk Ess-Störungen arbeiten Haus-und Fachärzte, Psychotherapeuten, Beratungsstellen, Therapeuten, die AOK und die Klinik ganz eng zusammen – „und alle haben etwas davon, besonders die Partienten“, freut sich Hendrischke und weiß: „Darum beneiden uns andere Kliniken. Und deshalb interessieren sie sich für unsere Modelle.“

An ihrem guten Ruf hat die Aalener Psychosomatik seit 2002 intensiv gearbeitet. „Wir gelten als besonders kompetent bei der Schmerzstörung und der Traumastörung“, versichert der Chefarzt und wundert sich trotzdem selbst darüber, dass viele Patienten von weit her kommen. „47 Prozent unserer stationär aufgenommenen Patienten kommen von außerhalb – aus Bayern, aus Ulm, aus Heidenheim oder von noch weiter her. Sogar 15 Prozent der Patienten der 2005 gegründeten Tagesklinik nehmen den weiten Weg von außerhalb täglich auf sich.“ Dabei ist Psychosomatik längst kein ungewöhnliches Angebot mehr für ein größeres Klinikum. Es gibt Abteilungen in Heidenheim, Esslingen, Stuttgart, Ulm oder Hall, zählt Hendrischke auf.

Bei ihrem „Kerngeschäft“ hilft die Klinik für Psychsomatik den Menschen, deren Schmerzen keine körperliche, sondern seelische Ursachen haben. Da befreie es den Patienten oft, wenn er hört, dass die Neurobiologie inzwischen beweisen kann, dass das Gehirn nicht zwischen seelischen und körperlichen Schmerzen trennt, verrät Hendrischke. Gemeinsam mit dem Patienten mache sich der Arzt dann auf die Suche nach den Ursachen für die seelischen Schmerzen. In der Regel sechs bis acht Wochen lang setze sich der Kranke bei dieser Suche mit inneren Regeln und Aufgaben auseinander, die zu Verausgabung und Schmerz führten.

Über die Arbeit mit den einzelnen Patienten hinaus engagiert sich die Psychosomatik klinikintern und nach außen in Vernetzungsprojekten wie etwa einer psycho-onkologischen Betreuung von Patientinnen des „abc“, des Aalener Brustzentrums. Dieses beinhaltet Begleitung vor und nach der Operation und wurde vom neuen Chefarzt der Frauenklinik, Dr. Carsten Gnauert, angeregt.

Zum „Geburtstag“ will sich die Psychosomatik außerdem mit einem Förderverein beschenken, der am 18. Oktober, um 19 Uhr im Klinikum gegründet werden soll.


© Schwäbische Post 19.5.2007

Kongress in China mitorganisiert

Dr. Askan Hendrischke, der Chefarzt der Klinik für Psychosomatik am Ostalb-Klinikum Aalen, ist in Shanghai. Dort hat er einen internationalen Psychotherapiekongress mitorganisiert zum zehnjährigen Bestehen der Deutsch-Chinesischen Akademie für Psychotherapie, in der er als Vizepräsident Psychosomatik verantwortlich ist.

Aalen / shanghai In Kooperation mit dem Mental Health Centre für Psychiatrie in Shanghai sollen auf dem Kongress aktuelle westliche und östliche Behandlungsansätze und Konzepte diskutiert werden. Erwartet werden 700 chinesische Ärzte und Psychologen sowie 100 deutsche Referenten und Teilnehmer.

Der Kongress hat auch das Ziel, Ausbildungsstandards für Fachärzte und Psychologen zu fördern und die Entwicklung von psychotherapeutischen Versorgungsstrukturen in China zu unterstützen. Weitere Info: www.dcap.de.


Aalen/Schwäbisch Gmünd 28.3.07

Vertragsabschluss Integrierte Versorgung Essstörungen im Ostalbkreis mit der AOK

[Pressespiegel]
© Schwäbische Post 12.4.2006

AUSSTELLUNG / Ostalbklinikum präsentiert Kunstpsychotherapeutin

Monika Obert stellt aus

Die Ausstellung "Menschen" im Eingangsforum des Ostalb-Klinikums Aalen zeigt Arbeiten von Monika Obert (im Bild), seit 2002 als Kunstpsychotherapeutin in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie im Ostalb-Klinikum tätig.

AALEN Pflegedirektor Günter Schneider freute sich bei der Ausstellungseröffnung, dass die Ausstellungsreihe "Einblicke" nun unter dem Motto "Menschen" mit Monika Oberts Werken fortgesetzt werde. Die Ausstellung sei sowohl für Patienten als auch Besucher des Klinikums eine Augenweide und sorge im Klinikalltag für Abwechslung. Uli Schloßbach, Fachlehrer an der Jagsttalschule Westhausen, fand passende Worte zur Einführung. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Sängerin Sonja Felkel, Pianist Reinhard Hiebel und Saxophonist Norbert Botschek. Die Acryl-, Öl- und Gouachebilder der Künstlerin zeigen in verschiedenen Variationen die Auseinandersetzung mit "Menschen" und sind bis 18. Juni zu sehen. (jum / Foto: Oliver Polenz)



© Schwäbische Post 2.12.2005

BILDUNGSZENTRUM OSTALBKLINIKUM / Experten und Ärzte diskutieren - Interessierte willkommen

Heute ist der 1. Aalener Schmerztag

Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schmerzen in allen Gelenken - immer noch kommt es vor, dass Ärzte nicht helfen können, wenn ihre Patienten an chronischen Schmerzen leiden. "Weil sie zu wenig wissen", bedauert Dr. Marianne Koch, die Präsidentin der deutschen Schmerzliga, die heute nach Aalen kommt.

OSTALBKREIS Ärzte, Psycho- und Physiotherapeuten, aber auch alle Interessierten sind heute ins Bildungszentrum am Ostalbklinikum eingeladen. Dort organisiert die Klinik für Psychosomatik unter Leitung von Chefarzt Dr. Askan Hendrischke und Dr. Martin von Wachter den 1. Aalener Schmerztag. Zwischen 9 und 13.15 Uhr referieren Experten über Behandlungsoptionen, Schwerpunkte der Schmerztherapie oder Praxis der psychologischen Schmerztherapie. Nachmittags sind zwischen 14.15 und 16.30 Uhr Arbeitsgruppen über Musik und Kunst in der Schmerztherapie, über Entspannungsverfahren, Physiotherapie, traditionelle chinesische Medizin, Invasive Behandlung, Psychosomatik und über Schmerztherapie in der Pflege. Intension der Veranstaltung ist es vor allem, Wissen zu mehren, Verbindungen zwischen den Behandlungsbereichen herzustellen. Denn: "Akute Schmerzen werden immer noch nicht ausreichend behandelt, weil die Ärzte in ihrer Ausbildung darüber zu wenig lernen", kritisiert Dr. Marianne Koch. Die aus dem Fernsehen bekannte Medizinerin engagiert sich seit 1997 in der Deutschen Schmerzliga - einem Zusammenschluss betroffener Patienten. Inzwischen arbeite man auch eng mit der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie zusammen - das ist ein Verbund der Schmerzärzte, freut sich Koch. Denn zu tun gebe es viel. Immer wieder begegne sie Menschen, deren Schmerzkarrieren sich zehn oder mehr Jahre hinziehen, ehe geholfen werden kann. "Darunter leiden auch die Ärzte", weiß Koch und kämpft dafür, dass die Kultusminister das Thema endlich in die Lehr-und Prüfungsordnung für Ärzte aufnehmen. Neben diesen politischen Aufgaben gibt es bei der Schmerzliga Hilfe für Patienten - und zwar in Form von Information und Ärzteadressen. Betroffene werden beraten werktags von 9 bis 12 Uhr unter (0700) 375 375 375. aks


© Schwäbische Post 22.10.2005 VON ULRIKE WILPERT

"Wo soll ich hin mit meinen Schmerzen?"

Rund 40 000 Schmerzpatienten, schätzt Prof. Dr. Achim Thiel, Chefarzt Anästhesiologie und operative Intensivmedizin im Ostalbklinikum, gibt es in Ostwürttemberg. "Wohin mit meinen Schmerzen" ist der Titel eines Forums in Zusammenarbeit mit IKK und Ostalbklinikum, das am Donnerstag, 27. Oktober, 19 Uhr im Gutenberg Kasino der Schwäbischen Post stattfindet

Vermehrt um chronische Schmerzen geht es beim Schmerzforum am 27. Oktober in den Referaten von Prof. Dr. Achim Thiel, von Thomas Schmid, Krankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege mit Zusatzqualifikation Schmerzmanagement am Ostalbklinikum sowie Dr. Martin von Wachter von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Ostalbklinikum. Die IKK Regionaldirektion Aalen will das Thema öffentlich machen, "weil sich sehr häufig Schmerzpatienten auf der Suche nach Ratschlägen an unser Kundencenter wenden", erklärt stellvertretender Regionaldirektor Hubert Fischinger.

Schmerzen werden heute ernst genommen, Schmerzen sind interdisziplinär therapierbar, ist die Botschaft des Forums. "Früher", erinnert sich Pflegedirektor Günter Schneider, "hat man Schmerzen einfach erduldet, sie gehörten zum Leiden der Patienten dazu." Seit einigen Jahren indes gehe eine Welle durch die Republik, in deren Folge sich die Akteure intensiver der Problematik stellen.

So auch das Ostalbklinikum. Seit 1998 ist hier eine Schmerzambulanz eingerichtet, seit 2001 gibt es eine interdisziplinäre Schmerzkonferenz, bei der sich Vertreter von Physiotherapie, Pflege, Chirurgie, Internisten . . . kurz sämtliche medizinische Berufsgruppen über einzelne Fälle austauschen. "Denn gerade bei Patienten mit einer langen chronischen Karriere", so Thiel, "bedarf es einer abgestuften Versorgung". Eine ideale Kombination nun sei die Zusammenarbeit mit der Klinik für Psychosomatik, weil Schmerzen "sehr viel" mit der Psyche zu tun haben. So gelte es, die psychischen Folgen von Schmerzen, wie Schlafstörung, Angst und Gereiztheit mitzubehandeln. "Besonders in Zeiten von Arbeitslosigkeit besteht die erhöhte Gefahr, dass Patienten auf chronische Schmerzen fixiert werden", gibt Dr. von Wachter zu bedenken.

Prof. Dr. Thiel wird im Rahmen des Schmerzforums die Schmerzkonzeption des Landes Baden-Württemberg vorstellen sowie die Rolle, die das regionale Schmerzzentrum innerhalb der Konzeption spielt. Dabei wird er die Betonung auf die Zusammenarbeit mit der Krankenpflege und der Klinik für Psychosomatik legen, für Thiel ein wesentlicher Faktor, der an anderen Standorten nicht vorhanden ist. Thomas Schmid, Krankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege am Ostalbklinikum, mit Zusatzqualifikation Schmerzmanagement, wird die Möglichkeiten des Schmerzmanagements in der Pflege aufzeigen. Thematisieren wird er unter anderem Gespräche von Pflegepersonal zu Patient, Kinestetik sowie die Einbindung von Angehörigen. Denn Aufgabe der Pflege sei es, nicht nur die Qualität, sondern auch die Quantität der Schmerzen und deren Begleitumstände herauszufinden. "Denn der akute Schmerz", so Thiel, "hat eine Warnfunktion. Doch chronische Schmerzen entwickeln sich mit der Zeit zu einer eigenständigen Erkrankung."

© Aalener Nachrichten (www.szon.de) 30.09.2005

Die Psychosomatik am Klinikum brummt

AALEN (ug) In Deutschland gibt es 15 psychosomatische Tageskliniken, eine davon am Ostalb-Kinikum. Gestern Abend ist die Einrichtung im Medizinischen Dienstleistungszentrum von Landrat Klaus Pavel offiziell eröffnet worden.

Seit Juni 2002 ist die Psychosomatik am Ostalb-Klinikum angesiedelt. Gestartet wurde stationär mit 18 Plätzen. Rasch wurde jedoch dem steigenden Bedarf Rechnung getragen. Mittlerweile wurde die Station, deren Auslastung laut Landrat Pavel bei 98 Prozent liegt, auf 36 Plätze aufgestockt. Und nun wurde die stationäre Behandlung noch um eine Tagesklinik ergänzt. Krankenhausdirektor Axel Janischowski sprach daher gestern Abend von einem integrierten Konzept, das in dieser Form nur an drei Kliniken in Deutschland praktiziert werde.

"Wir wollen, dass sich die Patienten im häuslichen Bereich wieder rasch zurecht finden", hob Chefarzt Dr. Askan Hendrischke den Vorteil dieses Konzepts hervor. Das sieht vor, dass die Patienten nach einem dreiwöchigen stationären Aufenthalten nach Hause gehen dürfen, aber weitere drei Wochen in der Tagesklinik behandelt werden. Neben dem medizinischen Aspekt hat dieses Konzept den Vorteil, dass dadurch die Kosten gemindert werden, was vor allem die Krankenkassen freut. In der ersten Woche wurden zehn Patienten an der Tagesklinik aufgenommen. "Der Laden brummt", kommentierte Hendrischke die vergangenen Tage. Er brachte diese Entwicklung damit in Zusammenhang, dass es in größerem Umkreis keine vergleichbare klinische Einrichtung gibt.

Neun Patientengruppen können im Bereich der Psychosomatik nun gleichzeitig behandelt werden. Wobei Patienten mit dem gleichen oder einem ähnlichen Leiden zusammengefasst werden: also die Schmerzpatienten in einer Gruppe, diejenigen mit Angstzuständen, diejenigen mit Depressionen und Patienten mit einem Trauma jeweils in einer anderen Gruppe.


© Schwäbische Post 29.9.2005 VON ANKE SCHWÖRER-HAAG

OSTALBKLINIKUM / Psychosomatische Tagesklinik in Betrieb

Drei Säulen komplett

"Jetzt hat das Angebot drei Säulen und ist damit optimal", freut sich Dr. Martin von Wachter. Gestern Abend wurde am Ostalbklinikum die Psychosomatische Tagesklinik offiziell in Betrieb genommen. Inoffiziell arbeitet das Team bereits eine Woche in den neuen Räumen.

Seit drei Jahren gibt es am Ostalbklinikum ein stationäres Angebot - die psychosomatische Klinik, die Chefarzt Dr. Askan Hendrischke leitet. "Von Anfang an haben wir das Ziel verfolgt, diese 18 Betten starke Station um eine ebenso große Tagesklinik zu ergänzen", erklärt der Mediziner. Denn ein solches Konzept biete die Möglichkeit, die Patienten stufenweise wieder mit der Realität zu konfrontieren und damit eine vorher rund sechswöchige stationäre Unterbringung zum Beispiel aufzusplitten in drei Wochen Station und drei Wochen Tagesklinik.

Geeignet sei die Tagesklinik für Patienten, die eigentlich eine stationäre Behandlung bräuchten, die aber zu Hause noch Angehörige oder Haustiere versorgen müssen. Auch für Patienten, die Angst vor der stationären Behandlung haben, könne die Tagesklinik ein guter Einstieg sein. Oder für Menschen, die aus ihrem sozialen Umfeld Kraft schöpfen. Oder für Patienten, bei denen die Gefahr besteht, dass sie sich aus dem Alltag in die Klinik flüchten.

Insgesamt gibt es in Deutschland zurzeit nur zehn psychosomatische Tageskliniken - und nur drei davon haben sich für das so genannte integrierte Konzept entschieden, das auch Hendrischke und sein Oberarzt Dr. Martin von Wachter gewählt haben: Die Patienten werden auf Station und in der Tagesklinik in den gleichen Gruppen und vom selben Team betreut. "Aus unserer Sicht ist das extrem patientenfreundlich", meint Hendrischke und lobt die hervorragende Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten, die im Drei-Säulen-Konzept auf der Ostalb die ambulante Patientenbetreuung leisten.

Bei der Feier zur Eröffnung der Tagesklinik begrüßten Krankenhausdirektor Axel Janischowski und Ärztlicher Direktor Professor Dr. Klaus von Maillot die Gäste. Grußworte sprachen Professor Dr. Horst Kächele, der Direktor der Psychosomatik an der Uniklinik Ulm, und Rainer Gräter, der Vorsitzende der Kreisärzteschaft.


© Schwäbische Post 9.7.2005 VON ANKE SCHWÖRER-HAAG

KLINIK FÜR PSYCHOSOMATIK / Vortrag über Traumatherapie

Momente der Freude

Aus heiterem Himmel kann jeder Mensch in Situationen kommen, in denen er sich hilflos, ohnmächtig, verzweifelt fühlt - die Körper und Seele verletzen. Etwa ein Drittel der Betroffenen brauchen nach Katastrophen, Unfällen oder Überfällen ärztliche Hilfe. Sie sind schwer traumatisiert. Anerkannte Expertin auf diesem Gebiet ist Dr. Luise Reddemann. Sie kommt am Mittwoch als Referentin ins Bildungszentrum am Ostalbklinikum

"Imagination als heilsame Kraft", heißt ihr Vortragsthema. Und so heißt auch ein Buch von Luise Reddemann, das zwischenzeitlich in der zehnten Auflage gedruckt worden ist - also ganz offensichtlich reißenden Absatz findet. Die Psychiaterin und Fachärztin für Psychotherapie beschreibt darin das Konzept zur Behandlung von Menschen mit Traumastörungen, das sie als Chefärztin der psychosomatischen Klinik in Bielefeld mit ihrem Team entwickelt hat. "Wir haben erkannt, dass die Menschen erst innerlich stabilisiert werden müssen, ehe sie sich mit dem schlimmen Erlebnis auseinandersetzen können. Wenn man sich ungeschützt und ohne innere Stärke mit alten Verletzungen beschäftigt, wirken diese so überwältigend, dass es dem Betroffenen schlechter geht."

Erfahrungsgemäß liege das Heil in der Selbstheilungskraft. Diese wird mit ärztlicher Unterstützung gefördert. Über Vorstellungen (Imagination) übt der Mensch die Freudefähigkeit und kann damit das Gleichgewicht zwischen Momenten der Freude und Momenten der Trauer herstellen.

Luise Reddemann schreibt nicht nur leicht verständliche Bücher - die gebürtige Aalenerin redet auch so. Ihr Vortrag am Mittwoch, 13. Juli, im Bildungszentrum am Ostalbklinikum beginnt um 19.30 Uhr und ist interessant für alle Menschen, die ihre Selbstheilungskräfte stärken wollen.


Schwäbische Post 19.4.2005

VERANSTALTUNGSREIHE MED AND MORE / "Burn Out" und digitale Spracherkennung

Vorbeugen und Zeit gewinnen

Als bedürfe es eines Beweises, wie riesig das Interesse ist: über 100 Pflegeprofis waren zu einem Seminar gekommen, das den "Burn Out", das Ausgebranntsein von Pflegekräften thematisierte und Tipps zum Umgang mit diesem Problem gab.

OSTALBKREIS "Med and More" heißt die Veranstaltungsreihe, die AOK und Ostalbklinikum ins Leben gerufen haben. Oberarzt Dr. Martin von Wachter und Psychologe Bernhard Schnell informierten diesmal über massive Erschöpfungszustände, die unter dem Stichwort "Burn Out" zusammengefasst werden. Immerhin 40 bis 60 Prozent des Pflegepersonals und 15 bis 30 Prozent der Ärzte zählen zur Risikogruppe - entsprechend groß war das Interesse an Informationen und am Präventiv-Angebot, das die AOK anbietet.

Mehr Zeit für persönliche Zuwendung in der Pflege soll ein digitales Spracherkennungsprogramm ermöglichen, das AOK und IBM in fünf Pflegeheimen getestet hat. Dieses erleichtere die Dokumentation der Pflegearbeit, die per Diktat im Computer landet und nicht mehr mit dem Stift festgehalten werden muss.


Schwäbische Post 7.1.2005 VON ANKE SCHWÖRER-HAAG

WISSENSAUSTAUSCH / Chinesischer Chefarzt lernt zurzeit in der Abteilung Psychosomatik am Ostalbklinikum

Der Bedarf im boomenden Land ist riesig

Im wirklichen Leben ist er Chefarzt für Psychotherapie in einem 1000-Betten-Krankenhaus. Im wirklichen Leben arbeitet er in der "kleineren Stadt" Xi'an, die für chinesische Verhältnisse schlappe sechs Millionen Einwohner hat. Zurzeit allerdings ist Dr. Tianbu Zhang als Gast-"Schüler" in Deutschland - in Frankfurt, Saarbrücken, Hamburg und am Ostalbklinikum in Aalen.

Klar: Es ist eine Binsenweisheit, dass der Mensch nie auslernt. Dass aber einer, der zu den führenden Köpfen in Sachen Psychosomatik und Psychotherapie in China zählt, ausgerechnet auf die Ostalb kommt, um den Kollegen über die Schulter zu gucken? Bei seiner Antwort auf diese Frage führt Tianbu Zhang gleich mehrere Argumente ins Feld: "Mein Chefarztkollege hat sehr viel Erfahrung in der Gruppen-und in der Familientherapie", erzählt er warum er in dieser Woche "wie ein Schatten" an Dr. Askan Hendrischke hängt, der im Ostalbklinikum die Abteilung für Psychosomatik leitet.

Außerdem ist die vom westlichen Weltbild geprägte Psychosomatik in China noch eine sehr junge Wissenschaft. Zugleich aber eine, die mit der Öffnung des Landes, mit boomender Marktwirtschaft und neuen Lebensformen immer wichtiger wird. Das hat die Psychologin Margarete Haaß-Wiesegart selbst miterlebt. Sie war Mitte der 70er Jahre in China, als nach dem Ende der Kulturrevolution die Psychologie wieder als Wissenschaft zugelassen wurde. Sie hat mit viel Engagement an einem deutsch-chinesischen Symposium für Psychotherapie mitgewirkt, als dessen Folge die chinesische Gesellschaft für Psychotherapie gegründet wurde und vor rund neun Jahren dann die deutsch-chinesische Akademie für Psychotherapie. Diese hat in zwei jeweils drei Jahre dauernden Ausbildungsprogrammen inzwischen 260 chinesische Ärzte und Therapeuten weitergebildet in psychoanalytischer Therapie, Verhaltens- und Familientherapie.

"Der Bedarf ist riesig", erzählen Haaß-Wiesegart und Dr. Askan Hendrischke, der seit 2001 ehrenamtlich am Ausbildungsprogramm mitarbeitet und seither mehrmals in China war. "Die Umbruchgesellschaft in China überfordert die Menschen - viele entwickeln psychosomatische Beschwerden, körperliche Symptome, die ihren Ursprung in der Seele haben, um dem Druck zu entkommen." Da gebe es Menschen, die individuell ihr Glück suchen möchten, und an den traditionellen kollektiven Strukturen scheitern. Oder Kinder und Jugendliche, die als Folge der staatlich verordneten Ein-Kind-Familie einerseits maßlos verwöhnt werden und andererseits extremem Erwartungs-und Erfolgsdruck ausgesetzt seien. Oder rund 30 Millionen entwurzelte Wanderarbeiter, die ihre Familien und Dörfer verlassen haben und auf der Suche nach Arbeit durchs Land ziehen. "Die Selbstmord-Rate ist extrem hoch", erzählen die deutschen Experten - zehnmal höher als in den USA.

Entsprechend wachsen Bedarf und Ansehen der einheimischen Psychotherapeuten. Die Absolventen der deutsch-chinesischen Akademie sind deshalb gesuchte Experten, die "sehr schnell großen Einfluss" erlangen, erzählen Haaß-Wiesegart und Hendrischke. Und: Es könnten viel mehr sein, wenn das Geld für die Ausbildung da wäre, wenn etwa Firmen, die Handelsbeziehungen nach China haben, Patenschaften übernähmen. Um zum Beispiel Ärzten, die wie Dr. Tianbu Zhang für zwei Monate nach Deutschland kommen und dort am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt die Psychoanalytiker-Ausbildung komplettieren und Selbsterfahrung machen. Oder am Ostalbklinikum in Aalen beobachten, wie die Psychosomatik an einem "ganz normalen" Krankenhaus gewinnbringend für Patienten organisiert werden kann.


Schwäbische Post 13.9.2004 VON ANJA RETTENMAIER

ARBEITSZIMMER-SERIE / Der Chefarzt der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin Dr. Askan Hendrischke mag es funktional und wohnlich

Einen Dialog für Veränderungen anregen

"Denk daran, Du hast immer die Wahl." Diesen Spruch findet man in zweifacher Ausführung im Büro von Dr. Askan Hendrischke, Chef der Psychosomatik im Ostalbklinikum. Einmal eingerahmt auf dem Boden stehend und einmal als Postkarte an der Pinnwand. "Das regt zum Dialog für Veränderungen an und lässt den Patienten nach seinen Potenzialen fragen", erklärt der Chefarzt die Intention des Spruches.

AALEN Seine Wände schmücken noch mehr Hintergründiges. Am Schrank hängt ein Genogramm, eine Stammbaumarbeit. "Nicht nur die Sterbe- und Geburtsdaten werden dort festgehalten, sondern auch die Formen des Zusammenlebens. Wo tauchen welche Eigenschaften auf?" So beschreibt der Arzt einen wichtigen Teil der Therapie. Zum Beispiel gehört Leistung ins Familienmuster eines Magersüchtigen.

Ein Foto vom Team des Psychosomatikers aus Saarbrücken hängt hinter seinem Schreibtisch. Seine einstigen Mitarbeiter aus Aachen haben ihm ein Bild zum Abschied gemalt: Als "bunt, lebendig, kraftvoll" beschreibt es der 53-Jährige. Dann gibt es noch drei Bilder. "Meine Kunsttherapeutin hat unterschiedliche Lebensabschnitte gemalt", zeigt er auf die Trilogie. "Das Alter ist hübsch anzusehen, das Kind ist gebettet in schönem, beruhigenden blau und die Partnerschaft birgt Verletzungen."

An seiner Pinnwand hängt neben dem Wahl-Spruch auch ein Zertifikat der größten chinesischen, psychotherapeutischen Klinik in Shanghai. "Das ist was für die Eitelkeit", sagt er mit einem Augenzwinkern.

Ein weiteres Andenken an seine Arbeit in Asien ist ein Stempel mit dem chinesischen Schriftzeichen seines Vornamens. Der findet sich auf seinem Schreibtisch. Neben einem Rosenquarz zum Beispiel, den ihm eine Patientin geschenkt hat, weil er Kraft bringen soll. "Mir ist wichtig, dass Dinge beseelt sind, dass sie mit einer Geschichte verbunden sind".

Als Glücksbringer hat er einen Stein, in dessen Mitte sich Urwasser befindet. Und dieses Wasser im Stein zeigt ihm, dass "Unmögliches möglich" ist. Daran arbeitet er. "Ich möchte Menschen in schwierigen Lebenssituationen wieder mehr Wahlmöglichkeiten aufzeigen", sagt Hendrischke. Und er möchte mehr Bewusstsein dafür, dass Körper und Seele zusammen gehören.

Unordung ist gleich Unlust

Unordnung verbindet der Chef der Psychosomatik mit Unlust. Auf seinem Schreibtisch bleiben deshalb die Sachen eher liegen, die er nicht so gerne mag. Was dort in geballter Menge zu finden ist, sind Kugelschreiber. Die braucht er für seine Protokolle, die er macht, wenn er mit Patienten spricht. Sie sitzen ihm gegenüber und können seine Notizen sehen. Das gehört zur Transparenz, die sich der Arzt auferlegt hat. Er sieht sich als Übersetzer von dem, was den Patienten belastet. "Ich schreibe handschriftlich wöchentlich zwischen 20 und 30 Seiten." Auf Computer, Diktiergerät und Telefon kann er nicht verzichten. Auch nicht auf ein Waschbecken und auf Papiertaschentücher.

Ohne Arztkittel

Einen Arztkittel allerdings braucht er nicht. Damit wirkt er Menschen mit Vorurteilen entgegen, die ihn aufsuchen oder zu ihm von den anderen Abteilungen des Ostalbklinikums geschickt werden. Sein Arbeitszimmer auf der vierten Station neben der Elternschule ist funktional und wohnlich. "Ich finde die Kombination von blau und Holz ganz schön", sagt der Arzt. "Ich glaube an Atmosphäre und Ambiente, aber nicht an Aurotherapie, wo man mit Farben heilen will." Feng Shui findet der 53-Jährige "toll". Er hat es in China gesehen. "Ich denke symmetrisch. Meine Frau ist fürs Schräge und Feng Shui zuständig," erzählt er.


Schwäbische Post 6.8.2004
SUCHTVORBEUGUNG / Bilanz des Projektes "Is(s) was!?"

Netzwerk macht weiter

30 Führungen mit 800 Schülern. Großes Interesse. "Das Projekt über "Is(s) was!?" kam an", freut sich Suchtbeauftragter Berthold Weiß. Für das Netzwerk Ess-Störungen ist das ein Signal: "Es zeigt uns, dass es ein Problem-Bewusstsein gibt", sagt Oberarzt Dr. Martin von Wachter von der Klinik für Psychosomatik.

OSTALBKREIS Darauf baut das Netzwerk: Die Kooperation mit Fachkräften aus Sucht- und Erziehungsberatungsstellen und der Jugendarbeit bei der Ausstellung habe gezeigt, dass hier eine sehr hohe Kompetenz vorhanden ist, die unterschiedlichen Aspekte der Essstörungen und Lösungswege jugendgerecht aufzuzeigen. Diese Fachkräfte hatten die 30 Schulklassen mit annähernd 800 Schülern durch die Ausstellung geführt, dabei die verschiedenen Arten süchtiger Essstörungen - Magersucht, Ess-Brech-Sucht oder Fettsucht - angesprochen und über Ursachen geredet.

Der Ausstellung vorangegangen war ein Symposium, das 140 Teilnehmer lockte. Vorträge und Workshops namhafter Experten richteten sich an Hausärzte, Nervenärzte oder niedergelassene Therapeuten. Im Mittelpunkt stand auch die Überlegung, wie unterschiedliche Angebote miteinander vernetzt werden können. Denn für einen längerfristigen Behandlungserfolg ist zum Beispiel eine ambulante Nachsorge wichtig. Deutlich wurde, dass den Suchtberatungsstellen eine Schlüsselrolle zukommt. Sie können durch Motivation und ihren sehr niedrigschwelligen Zugang dafür sorgen, dass Menschen mit Essstörungen einen Weg aus der Krankheit finden.

Ermöglicht wurde das Gesamtprojekt durch eine enge Kooperation mit der AOK, die finanziell und personell zum Gelingen beigetragen hat, und der Kreissparkasse Ostalb. Weitere Info unter www.psychosomatik-aalen.de oder über www.ostalbkreis.de, beim Suchtbeauftragten, Berthold Weiß (07361)503-293, oder bei Dr. Martin von Wachter (07361)55-1801.


Schwäbische Post 13.7.2004 VON ANNI BUCHWEITZ
AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG / "is(s) was?!" bis zum 28. Juli im Foyer des Ostalbklinikums

Martern für ein illusorisches Ziel



Riesige, schmerzdunkle Augen, ein verschlossener Mund, zu Strichfiguren reduzierte Körper. Die Bilder, die vom 10. bis zum 28. Juli im Foyer des Ostalbklinikums ausgestellt sind, zeugen beeindruckend von der verzweifelten Frage nach Wert, mit der Essgestörte den eigenen Körper verzerrt wahrnehmen, martern und zum alleinigen Lebensinhalt machen.

OSTALBKREIS "is(s) was?!", fragt und provoziert die Ausstellung, die von rund 700 Schülern besucht werden soll. Sie zeigt vor allem Bilder von Patientinnen des Therapie-Centrums für Ess-Störungen München (TCE). Die Veranstalter wollen mithilfe der Kunst das Tabu Ess-Störungen brechen. Denn für einen Fortschritt in Prophylaxe und Prävention dieser zunehmenden und oft tödlichen Krankheiten seien mehr Sensibilität, Verständnis der Öffentlichkeit und Zusammenarbeit der Institutionen notwendig. In ihrem künstlerisch umrahmten Festvortrag informierte Dr. Monika Gerlinghoff vom TCE über die Störungen und die Therapie.

Die Referentin beschrieb, dass überwiegend junge Frauen an Ess-Störungen erkranken, und zwar häufiger an Magersucht (Anorexie) und Ess-Brechsucht (Bulimia Nervosa) als an Fettsucht. Sicherlich gebe es genetische Veranlagungen für Ess-Störungen - Auslöser seien jedoch individuelle, familiäre und gesellschaftliche Probleme ohne Lösungsaussicht. "Essgestörte fliehen vor dem Leben, vor der Gefahr des Misserfolgs", erklärte Gerlinghoff. Gerade Magersüchtige schafften sich mit Essritualen, fanatischem Kalorienabbau und geschicktem Versteckspiel vor Familie und Bekannten eine eigene Welt, um zu herrschen - wenigstens über den eigenen Körper. Dabei lieferten sie sich der Herrschaft von Kalorientabelle und Waage aus, sehnsüchtig wartend auf das illusorische Ziel eines makellosen, das heißt gänzlich fettfreien Körpers. Denn nur vollendete Schönheit scheine den oft extrem leistungsorientierten Magersüchtigen ein Garant für Glück und Anerkennung. Sich selbst sähen sie als "Müllhaufen hinter einer repräsentativen Maske. Da sind gesundheitlicher Verfall, ja sogar der Tod, denkbar gleichgültig."

Mit einem Drei-Phasen-Therapiemodell lernen Betroffene am TCE normales Essen, verbessern Selbstwertgefühl und Lebenskompetenz. Der erste Monat ist Motivationsphase, denn anfangs wollten viele Patientinnen ihre Sucht nicht ernstlich überwinden. Dann folgten vier Monate Tagesklinik und vier Monate ambulante Phase. Wichtig seien das gemeinsame Wohnen, die Entwicklung kreativer Ressourcen, ein Speiseplan.

Sehr schwierig und nicht selten erfolglos gestalte sich der Transfer in den Alltag. Deshalb sei man Stolz auf die vollständige Heilung bei immerhin rund 25 Prozent der Patientinnen.

Dem Ziel, Ess-Störungen zu bewältigen statt sie angeekelt zu verdrängen, dient im Ostalbkreis seit 2003 das Netzwerk für Essgestörte. Im Ostalb-Klinikum gab es dazu ein großes Symposium.


Schwäbische Post 9.7.2004 VON ULRIKE WILPERT
ESSSTÖRUNGEN / Ausstellung startet heute um 19 Uhr im Foyer des Ostalb-Klinikums Vierzig Schautafeln ermuntern: is(s) was?! Sie will mehr Öffentlichkeit herstellen, und damit das Thema "Essstörungen" aus der Tabuzone herausholen. Die kreisweite Arbeitsgruppe, die sich mit dem Aufbau eines Netzwerks für Menschen mit Essstörungen beschäftigt. Die Ausstellung "is(s) was?!" im Eingangsforum des Ostalb Klinikums in Aalen ist ein erster Schritt in diese Richtung. Eröffnet wird sie heute um 19 Uhr.

Eindrucksvolle Bilder sollen Verständnis wecken und...

OSTALBKREIS Die Arbeitsgruppe von Fachkräften aus Medizin, Beratung und Therapie, die sich mit dem Aufbau eines Netzwerks für Menschen mit Essstörungen beschäftigt (wir berichteten) stellt fest: die Zahl der Gefährdeten und Betroffenen steigt ständig. Diese Tatsache wiegt deshalb besonders schwer, weil Essstörungen immer noch in eine Tabuzone gedrängt werden - von Betroffenen und Angehörigen lange nicht als Krankheit erkannt, sind Essstörungen auch gesetzlich nicht in demselben Maße als Suchterkrankung definiert, wie etwa Alkoholismus. Berthold Weiss, Suchtbeauftragter des Kreises, hält deswegen eine bessere Koordination zwischen den verschiedenen therapeutischen Akteuren und eine bessere Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit für unabdingbar.

Einen ersten Schritt in diese Richtung macht die Ausstellung "is(s) was?!", konzipiert vom Therapiezentrum für Essstörungen des Max-Planck-Instituts in München. Sie will die unterschiedlichen Facetten dieser "heimlichen" psychosomatischen Erkrankung herausarbeiten und gleichzeitig die verschiedenen Ursachen aufzeigen, die zu dieser "Störung" führen können. Insgesamt 40 Stelltafeln informieren über das Thema "Essstörungen", drei weitere sollen über regionale Angebote Auskunft geben.

Die Ausstellung richtet sich an die Öffentlichkeit und gezielt an Schulkinder ab Klasse 7. Den Festvortrag "Essstörungen - Verstehen und Bewältigen" hält heute Abend Dr. Monika Gerlinghoff, Leiterin des Therapiezentrums Essstörungen am Max-Planck-Institut in München.


Schwäbische Post 6.7.2004 VON ULRIKE WILPERT
ESSSTÖRUNGEN / Therapeutisches Netzwerk im Ostalbkreis soll künftig den individuellen Behandlungsweg optimieren Rasche Hilfe durch dick und dünn Im Ostalbkreis soll es ein Netzwerk Essstörungen geben. Dieses soll Menschen helfen, die unter Essstörungen leidenden, damit sie möglichst rasch einen individuellen und kontinuierlichen Weg ohne große Lücken durch die diversen Therapieangebote finden.

"Is(s) was?!" ist der Slogan einer Wanderausstellung...

AALEN "Essstörungen befinden sich immer noch in einer Tabuzone", monierte noch vor einem Jahr Hedwig Wunderlich, Diplom-Sozialpädagogin in der psychologischen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstelle für Suchtkranke und Suchtgefährdete der Caritas Ostwürttemberg. Damals schrieb diese Zeitung über das Thema "Bulimie - Magersucht - Esssucht". Denn: Während eine ambulante Therapie etwa für Alkoholiker in der Beratungsstelle der Caritas über die Krankenkassen finanziert wird, erstatten die Ersatzkassen die Kosten für entsprechende Gruppensitzungen für Essgestörte nicht. Selbst AOK, IKK und die BKKs fordern einen Eigenanteil für die Gesprächstherapie bei der Caritas.

Eine Tabuzone noch dazu mit doppeltem Boden: Wie Dr. Askan Hendrischke und Dr. Martin von Wachter von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Ostalb-Klinikum Aalen feststellen, ist kennzeichnend für den oft chronischen Verlauf der Erkrankung, dass sie von Betroffenen, Angehörigen oder Freunden selten auf Anhieb erkannt wird. Hinzu kommen wechselnde Behandlungsmotivation der Patienten, Hilflosigkeit in der Familie und Probleme im Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenenalter.

Die mit dem Netzwerk angestrebte integrierte Versorgung will sich daher um Flexibilität und enge Kooperation zwischen medizinischen und psychosozialen Behandlern sowie um die systematische Einbeziehung der Angehörigen bemühen.

Bereits im vergangenen Jahr hat sich im Ostalbkreis eine Arbeitsgruppe von niedergelassenen Ärzten (Hausärzte, Nervenärzte, Kinderärzte) und Psychotherapeuten, Vertretern der verschiedenen Kliniken und Beratungsstellen gebildet, zu der auch Berthold Weiß gehört, der Suchtbeauftragte des Ostalbkreises. Angestrebt ist eine Kooperation von unterschiedlichen therapeutischen Einrichtungen im ambulanten Bereich (Beratungsstellen), im tagesklinischen (Tagesklinik Hirschbach) und im stationären Bereich, um bestehende Hilfsangebote für essgestörte Patienten besser aufeinander abzustimmen und gleichzeitig vorhandene Lücken im Versorgungsangebot zu schließen.

Doch damit diese Kooperation nicht dem Goodwill oder dem persönlichen Interesse des einzelnen Therapeuten überlassen bleibt, sollen für dieses Netzwerk vertragsmäßige Rahmenbedingungen mit der AOK-Ostalb ausgehandelt werden. In diesen Tagen laufen erste Gespräche. Dr. Martin von Wachter erklärt: "Ohne Unterstützung seitens der Krankenkasse ließe sich unser Vorhaben nicht realisieren." Sprich: Hendrischke und Wachter hoffen auf einen finanziellen Topf, über den das Netzwerk Essstörungen künftig verfügen kann. "Dann", erklären sie, "wäre es auch möglich, einen Psychotherapeuten einzustellen - ambulant, in der Beratungsstelle oder im Krankenhaus - der einen lückenlosen individuellen Behandlungsweg für die einzelnen Patienten managt." Der Nebeneffekt: Dadurch würde gleichzeitig die stationäre Behandlungsdauer in der Klinik optimiert, verkürzt. Und einer chronischen Entwicklung der Erkrankung frühzeitig vorgebeugt. Weniger Behandlungskosten also, was eine Refinanzierung des netzeigenen Finanztopfs möglich machen könnte.

Das fachärztliche Symposium zum Thema "Essstörungen" am 10. Juli wird begleitet von einer Wanderausstellung unter mit Titel "Is(s) was?!". Eröffnung ist am 9. Juli im Forum des Ostalb-Klinikums Aalen. Geöffnet ist die Ausstellung bis 28. Juli ganztags für Besucher und Gruppen.


Schwäbische Post 16.12.2003 VON ANKE SCHWÖRER-HAAG

Eine Trauma-Ambulanz im Visier - Runder Tisch mit Entscheidungsträgern brachte positive Resonanz

Trampelpfad darf nicht Autobahn werden

"Trauma" - eigentlich klingt dieses Wort sympathisch, weil es den Normalbürger erstmal ans Träumen erinnert. Mediziner dagegen wissen: Das "Trauma" ist eher ein Alptraum, denn es steht in der Fachsprache für eine seelische oder körperliche Verwundung. "In beiden Fällen sollte früh behandelt werden", sagt Dr. Askan Hendrischke und kämpft für eine Trauma-Ambulanz am Ostalbklinikum.

"Jeder Mensch kann unerwartet Opfer oder Zeuge von schweren Unfällen, von Gewalt, von Naturkatastrophen oder von unerwarteten Verlust-Erfahrungen werden", erklärt Hendrischke. Solche Dramen traumatisieren, hinterlassen Spuren auf der Seele. Die meisten Menschen tragen schwer an den Gefühlen von tiefgreifender Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Verlust der Kontrolle.

Um die Folgen abzumildern, eine Entwicklung ins Chronische zu vermeiden, sei ein rasches diagnostisches und therapeutisches Eingreifen wichtig. "Es muss im Ostalbkreis eine Stelle geben, an die sich Opfer, Helfer oder Zeugen wenden können, wenn sie auch vier Wochen nach der Katastrophe noch geplagt werden von Schlafstörungen, Alpträumen, Angstzuständen, Depressionen oder Erinnerungen", sagt der Chefarzt der psychosomatischen Abteilung am Ostalbklinikum. Und er erklärt: Je länger ein Mensch sich mit einem Gedanken oder einer Erinnerung herumschlage, um so breiter und tiefer wird die Spur, die der Vorfall im Gehirn hinterlässt. Die "Trampelpfade der Erinnerung werden zu Autobahnen", das Leben immer mehr von dem Ereignis geprägt.

Je besser das Angebot in der Früh- und Erstversorgung ist, desto schmaler lasse sich der Trampelpfad halten, wirbt der Mediziner für eine offizielle Anlaufstelle. Denn es gibt auch schon positive Erfahrungen: Für fast ein Drittel aller Opfer, Zeugen oder Helfer war die Trauma-Ambulanz am Uniklinikum in Aachen der rettende Notnagel - zum Beispiel für den Lokführer, vor dessen Zug sich ein Selbstmörder geworfen hatte; oder für den Fahrer, der die Schrecksekunde des Unfalls wieder und wieder erlebt und seitdem nicht nur das Autofahren meidet.

Solche Fälle stellte Dr. Guido Flatten, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie, beim ersten Round-Table-Gespräch zum Thema Trauma-Ambulanz in Aalen vor. 35 Repräsentanten - vom Polizeidirektor über den Kreisfeuerwehrkommandanten bis zum Unfallchirurgen, von der Frauenhausleiterin über den Rot-Kreuz-Geschäftsführer bis zum Chef des Gesundheitsamtes, vom Psychiater über die Opferberaterin bis zum Sozialdezernenten des Ostalbkreises lauschten dem mit praktischen Beispielen untermauerten Vortrag des Mediziners, der an der Aachener Uniklinik die Trauma-Ambulanz aufgebaut hat. Vielen Menschen helfe der Alltag, das Sprechen mit vertrauten Menschen, ein Sich-verstanden Fühlen, erklärt Dr. Askan Hendrischke später zusammenfassend. Dass die Bilder des Grauens anfangs immer wieder kommen, sei völlig normal. Normal auch, dass diese Erinnerung nach und nach verblasse. Aber die Zeit allein heilt eben nicht bei allen die Wunden. Etwa ein Viertel bis ein Drittel der Betroffenen spüre, dass sie alleine nicht zurecht kommen. Sie brauchen professionelle Begleitung, fachpsychotherapeutische Hilfe. Und so lange es auf der Ostalb Wartezeiten von sechs bis neun Monaten gebe für jene, die einen Facharzt brauchen. So lange es obendrein Monate dauere, bis ein Betroffener als Opfer anerkannt ist, sei das Risiko, chronisch krank zu werden, hoch - die Folgekosten auch. Lösung für Hendrischke: Das Ostalbklinikum müsste von der kassenärztlichen Vereinigung eine Ermächtigung als Instituts-Ambulanz bekommen.

"Ziemlich überzeugend", nennt Polizeidirektor Gerhard Wiest als einer der Teilnehmer am Round-Table-Gespräch, die Idee einer Trauma-Ambulanz. Eine solche Begleitung sei Teil der Opferfürsorge, die sich nicht nur um die leiblichen Schmerzen eines Betroffenen kümmern dürfe.

Solch positive Resonanz hat Klinikdirektor Axel Janischowski am Ende des Runden Tisches von vielen Seiten bekommen. "So etwas wie in Aachen brauchen wir", fasst er die Meinung der Teilnehmer zusammen. Das Ostalbklinikum werde den Ball aufnehmen und weiterarbeiten am Konzept, verspricht er und weiß auch: "Es gibt noch viel zu tun, bis das Netz geknüpft ist."


weiterer Artikel zur Traumaambulanz: Umfrage-Ergebnisse ermutigen zum Weitermachen


Schwäbische Post 4.9.2003 VON ULRIKE WILPERT

Männer setzen aufs Pillenwunder, das keines ist

Vor zwei Jahren war's. Bei einem einsamen Rucksack-Tripp durch die Bergwelt Mallorcas. Plötzlich dieser stechende Schmerz auf der linken Seite. Vorbote eines Herzinfarkts? Alfred M. (Name geändert) geriet in Panik. Brach den Urlaub sofort ab.

Zu Hause ließ sich der 54-jährige Manager von einem Facharzt durchchecken. Ergebnis negativ. "Sie haben das Herz eines 20-Jährigen", kommentierte der Arzt die Diagnose. Indes: Der Herz-Schmerz blieb. Stechend, ziehend, bis in die Schulter hinauf. Doch "negativ", befand auch eine Spezialklinik.
Das ist jetzt ein Jahr her. Zum Schmerz hat sich permanent Angst, ja Panik, geschlichen. Die Angst vor dem plötzlichen Infarkt. Die Angst vor körperlicher Belastung. Die Angst vor dem Berufsalltag. Alfred M. hat eine lange Odyssee hinter sich: Spezialisten, Heilpraktiker, Gesundbeter. Helfen konnte ihm keiner so recht. Bei einem Psychologen war er noch nicht.
Für Dr. Askan Hendrischke, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Ostalb-Klinikum Aalen, ist dieses Verhalten bezeichnend. "Männer brauchen im Schnitt fünf bis sechs Jahre, bis sie psychosomatische Hilfe in Anspruch nehmen." Der Grund: Männer verstehen im Gegensatz zu Frauen ihren Körper als Instrument. "Wenn etwas nicht funktioniert, muss es repariert werden." Die Realität sieht anders aus. Diese indes wird ein Mann zunächst mal - mehr oder weniger erfolgreich - verdrängen. So passiert es, dass die meisten der männlichen Patienten Hendrischkes jahrelang von körperlichen Beschwerden wie Tinnitus, Rückenschmerzen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden gepeinigt waren - jeweils ohne medizinischen Befund - bevor sie sich bei ihm einer therapeutischen Behandlung unterzogen.
Ein Hamsterrad

Ausschlaggebend für die Zunahme dieser Art von Beschwerden ist nach Ansicht des Chefarztes der stetig zunehmende gesellschafliche Druck, dem eine ganze Reihe von Männern nicht mehr gewachsen ist. Ein Hamsterrad, das sich immer schneller dreht. Angetrieben zum einen vom ureigenen Verständnis des Mannes als "Jäger". Einer, der immer "auf Achse" sein muss. Angetrieben zum anderen aber auch von der heutigen Gesellschaftsstrukur, die ein hohes Maß an Mobilität verlangt; eine Forderung, die auch nicht vor den 50- bis 60-Jährigen Halt macht. Hendrischke: "Es ist schwer, sich als Mann gegen diesen Druck zu stemmen, ohne gleich als Looser-Typ abgestempelt zu werden."
Also immer noch lieber Macho-Typ als Warmduscher? Ist dieses "Mannsbild" nicht längst schon von gestern? Hendrischke meint: nein. "Die bewusste Zuwendung des Mannes zu Freunden, Interesse an den Kindern, wird zwar gesellschaftlich propagiert, doch zu wenig gelebt." Hinzu kommt die ohnehin mangelnde soziale Kompetenz der Männer, mit ihren Problemen umzugehen. Das unterscheidet sie grundsätzlich von Frauen. "Denn die", erläutert Hendrischke, "leben Beziehungen und Freundschaften, und können auch eher über eigene Probleme und seelische Belastungen sprechen."
Der Mann dagegen mutiert in dieser Hinsicht zum Einzelkämpfer, einsamen Helden. Ist eher gefährdet, sein dürftig gestricktes soziales Netz durch Alkohol oder Aggressivität zu kompensieren.
So wie sich das "Hamsterrad" in der heutigen Zeit immer schneller dreht, nimmt nach Aussage Hendrischkes auch das Ausmaß an psychosomatischen Erkrankungen bei Männern zu. Und damit zum Beispiel auch das Ausmaß an sexuellen Störungen. Immer häufiger tauchen Männer deswegen in Sprechstunden des Hausarztes oder Urologen auf, fordern die "Wunderpille". Zugegebenerweise ein klarer Siegeszug der pharmazeutischen Industrie. "Doch damit werden wir nie Körpererlebnisstörungen behandeln, und damit keine Selbstwertprobleme lösen können", sagt Hendrischke. "Wer glaubt, dass Viagra ein Problem löst, ist auf dem Holzweg!"
Auch für Alfred M. wird es keine Wunderpille geben. Mit der Zeit hat er das erkannt. Und vielleicht fängt er irgendwann an, seinen Gefühlen nachzuspüren. Stück für Stück. Fängt an, sie anzunehmen als Antwort seines Körpers auf unangemessene Belastungen, unangemessene Lebensziele . . .

Schwäbische Post 22.8.2003 VON ULRIKE WILPERT

Die Sucht kann "verlernt" werden

Essstörungen nehmen zu. Auch Männer sind davon betroffen, obwohl es sich eindeutig um eine frauenspezifische Suchterkrankung handelt. "Noch immer gilt das Verhältnis 1:10", erklären Dr. Askan Hendrischke und Dr. Martin von Wachter von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Ostalb-Klinikum Aalen.

Zwischen Juli 2002 und Juni 2003 wurden in der Psychosomatischen Klinik zwölf Patienten mit reinen Essstörungen therapiert. Die Zahl ist zwar deutlich geringer als die der Patienten mit depressiven Störungen (19) oder Angststörungen (32). "Allerdings", gibt Chefarzt Dr. Hendrischke zu bedenken, "leidet auch ein Teil der Patienten mit Angststörungen zusätzlich unter Essstörungen." Der Teufelskreis beginne meist mit einer Diät aufgrund des Gefühls: Ich bin zu dick. "Und verselbständigt sich dann, auch wenn die anfänglichen Konflikte längst nicht mehr bestehen", fügt Oberarzt Dr. von Wachter an. Patienten, die aus eigenem Antrieb in die Psychosomatik kommen, haben sich zuvor meist ihrem Hausarzt anvertraut. Wachter: "Das sind meist magersüchtige Patienten mit kürzerer Leidensgeschichte." Eine weitere Tendenz zeigt sich: Von der Magersucht betroffen sind immer mehr Teenager. "Vor einigen Jahren noch war 17 Jahre das Eintrittsalter in die Magersucht, heute betrifft es schon 13-Jährige." Eine ernst zu nehmende Entwicklung. Denn: Rund 20 Prozent der Magersüchtigen stirbt an den Krankheitsfolgen.
"Die" Therapie für Essstörungen gibt es nicht. Was es gibt, sind verschiedene Ansätze nach dem Muster der Verhaltenstherapie. Schließlich handele es sich bei den Essstörungen um gelernte Verhaltensweisen, die wieder "verlernt" werden müssten, sagen die Mediziner. Dazu gehört in der Psychosomatischen Klinik in Aalen ein Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient, in dem unter anderem ein Mindestgewicht festgelegt ist sowie wöchentliche Gewichtszu- oder -abnahme. Dazu gehört die Einbeziehung des famliären Umfelds in die Therapie, Ernährungsberatung, Einzel- und Gruppenpsychotherapie. Und dazu gehört auch, verborgene Gefühle wieder zu leben lernen im Rahmen von Körpertherapie, Musik- oder Kunsttherapie.
Gibt es Chancen, die Sucht ganz zu überwinden? "Ja", meint Hendrischke. Von Wachter: "Es gibt die Faustregel, dass ein Drittel der betroffenen Essgestörten nach der Therapie eine deutliche Besserung erfährt. Vier bis fünf Jahre nach der Behandlung haben 40 bis 50 Prozent der magersüchtigen Patienten noch einen guten Heilungserfolg. Bei 25 bis 30 Prozent ist er mittelmäßig oder schlechter."


Schwäbische Post 25.7.2003 VON VIVIEN MOSKALIUK

Richtiges Konzept kommt an

Die Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Ostalbklinikum hat Geburtstag. Doch keine Böller wurden verpulvert für dieses einjährige Jubiläum, stattdessen zündeten die Ziehväter des Geburtstagskindes ein Feuerwerk an Informationen. Denn die wirken auf das Wachstum wie Muttermilch.

Aus den Kinderschuhen ist es längst raus, doch noch lange ist dieses neuste Standbein des Ostalbklinikums nicht ausgewachsen. Das deutete auch der Krankenhausdirektor bei der Begrüßung zum Symposium "Der Körper als Sprachrohr der Seele" im Bildungszentrum an. "Die Nachfrage beweist, dass unser Konzept richtig ist", sagte Axel Janischowski und offenbarte Pläne zum Ausbau einer Tagesklinik im Jahr 2004.
"Ist das wirklich ein Krankenhaus?" Diese Frage hatte sich nicht nur Landrat Klaus Pavel bei der Eröffnung der Station im Jahr 2002 gestellt. Atmosphäre, therapeutische Gemeinschaft, ein "Gesundheitskompetenzzentrum" eben: so sähe die Zukunft im stationären Krankenhauswesen aus. Und Rainer Gräter, der Vorsitzende der Kreisärzteschaft Aalen, bescheinigte der Psychosomatik gute Reflexe, ein detailliertes Sprechvermögen und vor allem einen schnellen Entwicklungsschub dank Einsatz.
Und dieses Engagement ist so groß, dass der Saarbrückener Dr. Askan Hendrischke sich sogar in Schwäbisch übt. "Zeit für ein Gespräch" lautet schließlich die Devise des Chefarztes besagter Klinik, der "noch sehr viel vor hat".
Patienten, deren psychosoziale Belastungen ernste körperliche Repressalien verursachen und Patienten, die eine schwere Erkrankung nicht länger bewältigen können, werden in der Klinik mit den 18 Betten versorgt. Denn Körper und Geist werden hier als Einheit behandelt.

Odyssee durch Arztpraxen

Recht detailliert gab Hendrischke dem zahlreich erschienen Fachpublikum einen Überblick über stationäre Diagnostik, über das Therapiespektrum und über Störungsbilder in der Psychosomatik. Doch oftmals ähnelt der Werdegang solcher Patienten einer Odyssee durch unzählige Arztpraxen, bevor sich tatsächlich endlich jemand Zeit für ein Gespräch nimmt. Gar als "Goomer" ("Go out of my emergency room") seien die Leidenden verschrieen, berichtete Referent Prof. Dr. Wolfgang Söllner vom Klinikum Nürnberg.
"Ich bilde mir das doch nicht ein!", ist ein Hilfesschrei. Rund 20 bis 30 Prozent der Patienten einer durchschnittlichen Hausarztpraxis litten an einer Diskrepanz zwischen Beschwerden und Befunden aufgrund psychischer Belastung, einer sogenannten somatoformen Störung.
Vorschnelle Operationen seien hier Gift. Zur Diagnose gehörten vormalig Kommunikation und Aufklärung, denn meist seien diese Patienten von einer ernstlichen Krankheit überzeugt. Und dann die Überweisung in die Psychosomatik.
Doch auch der umgekehrte Fall ist existent und nicht eben eine Seltenheit: "Wenn Körper und Seele aus dem Gleichgewicht sind" - über körperliche Krankheit und psychische Komorbidität berichtete Dr. Johannes Kruse von den Universitätskliniken Düsseldorf. Und in Workshops und Seminaren wurden die Informationen aus den Vorträgen schließlich noch weiter verinnerlicht, um zukünftig diese medizinischen Irrfahrten betroffener Patienten so kurz wie möglich zu gestalten.

Schwäbische Post 16.7.2003 VON ANKE SCHWÖRER-HAAG

Psychosomatik feiert mit Symposium

Sprachrohr der Seele

248 Patienten in der Ambulanz. 153 Patienten, die im Schnitt 37,2 Tage auf stationär betreut wurden. 383 Patienten, die auf anderen Stationen des Ostalbklinikums oder in anderen Krankenhäusern versorgt wurden. Seit einem Jahr erst gibt es die "Psychosomatik"-Station in Ostwürttemberg. Dr. Askan Haendrischke und sein Team müssen sich die "Zeit für ein Gespräch" inzwischen gut einteilen.

"Zeit für ein Gespräch" ist das Motto des Konzepts, mit dem das zehnköpfige Psychosomatik-Team angetreten ist. Und von Beginn an wurde diese Zeit gebührend in Anspruch genommen - von Patienten mit Angstattacken und chronischen Schmerzen, mit Depressionen, Ess-oder Persönlichkeitsstörungen oder mit psychisch beeinflussten Erkankungen.
Die Auslastung der Station liegt deutlich über den mit den Kassen vereinbarten 90 Prozent. Der Bedarf ist offensichtlich da. Wenn es die Psychsomatik am Ostalbklinikum nicht gäbe, müsste man sie erfinden - denn die nächsten Anlaufstellen für Patienten mit den beschriebenen Erkrankungen sind in Ulm, Würzburg, Nürnberg oder Stuttgart.
Und: Wie schnell kann es gehen, dass ein Mensch Unfall- oder Katastrophenopfer wird oder dass er Angehörige verliert. Oft sind diese Menschen traumatisiert, fühlen tiefe Verzweiflung, Hilflosigkeit oder Ohnmacht und verlieren die Kontrolle über sich und ihr Leben. "Wie eine körperliche Verletzung so kann und muss auch das seelische Trauma behandelt werden", erklärt Dr. Askan Haendrischke, der Chef der Psychosomatik am Ostalbklinikum. Deshalb wurden am 1. Juli vergangenen Jahres 18 Betten in einer vollkommen sanierten Fachabteilung in Betrieb genommen. Deshalb gibt es das breite Angebot aus pschoterapeutischen Einzelgesprächen, Expositionstraining, Gruppenpsychotherapie, systemischer Paar- und Familientherapie, psychosomatischer Pflege, Ernährungs- und Sozialberatung, aus Kunst-, Musik- und Körperpsychotherapie, Entspannungsverfahren, homöopathischer Behandlung, Chinesischer Medizin, Akkupunktur, Schmerz-, Trauma- und Physikalischer Therapie.
Die ersten zwölf erfolgreichen Monate sind dem Psychosomatik-Team nicht nur eine Bilanz wert - "gefeiert" wird auch mit einem ganztägigen Symposion am Samstag unter dem Motto: "Der Körper als Sprachrohr der Seele" im Bildungszentrum des Ostalbklinikums. Die Veranstaltung beginnt um 9 Uhr mit einer Einführung.
Den ersten Vortrag hält um 9.45 Uhr Professor Dr. Wolfgang Söllner, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik in Nürnberg. Sein Thema: Diagnostik und Therapie somatoformer Störungen. Titel: "Ich bilde mir das doch nicht ein!"
Den zweiten Vortrag um 10.45 Uhr hält Privatdozent Dr. Johannes Kruse, leitender Oberarzt der Psychosomatik an der Uniklinik Düsseldorf. Sein Thema: die Verbindung von Körperlicher Krankheit und psychischer Miterkrankung (Komorbidität). Titel: "Wenn Körper und Seele aus dem Gleichgewicht sind".
Mit Pschosomatik und Psychotherapie im Krankenhaus setzt sich ab 11.25 Uhr Dr. Askan Haendrischke auseinander. Titel: "Zeit für ein Gespräch".
Ab 13.30 Uhr kann die Station besichtigt werden. Nachmittags ab 14 Uhr sind Workshops geleitet von Dr. Martin Wachter, Martin Friebel, Torsten Hansen, Angela Galm, Silvia Kreutzer, Monika Obert, Petra Zahn und Dr. Haendrischke.

Zeitungsartikel der Schwäbische Post 18.3.2003 von VIVIAN MOSKALJUK

FORTBILDUNG / Fortbildung für Ärzte am Ostalbklinikum - Schauspieler als "schwieriger Patient"

"Ich hätte ihn am liebsten geschüttelt"

"Götter in Weiß sind out", erklärt Dr. Askan Hendrischke ganz kategorisch. Und um dieser Meinung Rückhalt zu verschaffen, zog der Chefarzt der Klinik für Psychosomatik kurzerhand eine verbindende Linie von Harvard über Saarbrücken bis ins Aalener Ostalbklinikum. Er lud die Ostalb-Ärzte zu einem ganz besonderen Seminar ein. Das Thema: Kommunikation mit dem Patienten.

AALEN Es ist Samstag Vormittag und Kaffeeduft zieht durch die verlassen wirkende Station. Zehn Ärztinnen und Ärzte haben sich hier versammelt, um diesen neuen Pfad der Kommunikation zu begehen. Die Stimmung ist locker. Man hat sich schon kennen gelernt, beim Kurs "Psychosomatische Grundversorgung", der bereits seit Dezember läuft.

Auf der Tagesordnung heute: Ein kleiner Theorieteil und dann die Praxis. Fallbesprechungen, in denen die Arzt- Patient-Beziehung zentrales Thema sind (Balint-Gruppe) und Üben von Gesprächstechniken im sogenannten Interventionsseminar. "Göttlich" wirkt hier wahrhaft niemand, im Seminar. Redlich müht sich Dr. Susanne Renkel aus der Inneren Abteilung ab, den schmollenden "Diabetes-Patienten" zu erweichen. Vermutungen über ihren Stresspegel drängen sich auf, ihre Adrenalinausschüttung ist fast greifbar. Der Saarbrückener Kommunikationstrainer und Schauspieler, Jürgen Reitz, macht es als Patient seinem Schützling aber auch nicht leicht. Welt verkehrt, der Arzt auf dem Prüfstein des "Patienten". "Zum Glück sind nicht alle Patienten so schwierig", meint die Gruppe einhellig. Manche aber schon. Und bei dienen muss der Arzt lernen, dass die richtige Antwort manchmal einfach eine Frage ist. Oder ein Schweigen. Langsam rollt das Rollenspiel über die Republik hinweg. Was in New York entwickelt wurde, hat Dr. Hendrischke in Saarbrücken getestet und die Idee samt Schauspieler bei seinem Umzug aus dem Saarland nach Aalen einfach auf die Ostalb mitgebracht.

Die Technik des Rollenspiels ist nicht neu, der Ansatz, die Rolle des Patienten einem Schauspieler zu übertragen, hingegen schon. Hat Reitz auf der Bühne bis vor kurzem noch einen unseligen Gemüsehändler gemimt, zieht er sich jetzt freiwillig eine schwere Erkrankung nach der anderen zu.

Und da "kranke Menschen sind, wie alle anderen auch", ist seine Darstellung nur Teil seines schauspielerischen Handwerks, sagt er. Sich auf den Patienten einstellen, das soll hier geübt werden und eine perfekte Lösung kann es bei diesem Spiel auch gar nicht geben. Es ist wie im richtigen Leben und was gesammelt wird, das sind Ideen.

Wie lebendig diese Situationen tatsächlich sind, das erfährt man hier aus erster Hand. "Es macht die Sache schwer, dass er so echt ist", gesteht eine junge Ärztin. Reitz freut sich sichtlich.

Während sich also so mancher "Gott in Weiß" mit ganz unärztlichen Gefühlen auseinandersetzen muss ("Ich hätte ihn am liebsten geschüttelt"), erwacht der Mensch in ihm, der im medizinischen Studiengang so viel gar nicht zu suchen hat.

Von Hilfestellung bis Ablehnung, Erwartungshaltungen gab es derer anfangs viele, doch mittlerweile nehmen die jungen Medizinerinnen und Mediziner aus diesem Seminar alle mehr mit, als sie sich anfangs eingestehen wollten. Und wenn es nur der Ansatzpunkt ist, den Patienten in sein Schicksal mit einzubeziehen.


Presseberichte zur Einweihnug der Klinik

aktualisiert am 24.11.2018